Wie Bruno sein Ende fand:Zwei Schüsse auf der Alm

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Bayern und Tirol wollten ursprünglich unbedingt verhindern, dass der Braunbär abgeschossen wird. Doch Bruno entwischte eins ums andere Mal, selbst finnische Jäger konnten ihn nicht betäuben. Jetzt ging alles ganz schnell.

Christian Sebald und Heiner Effern

Für den tödlichen Schuss brauchte der Jäger nicht einmal drei Schritte vor die Haustüre zu machen. Als er am Montagmorgen gegen fünf Uhr mit zwei Kollegen aus einer Hütte auf der Kümpflalm heraustrat, stand der Bär etwa 150 Meter oberhalb in der Nähe des Hüttenbachs.

Der Schütze, dessen Name wie ein Staatsgeheimnis gehütet wird, bewies eine ruhige Hand: Er legte an, zielte und traf mit dem ersten Schuss. Ein zweiter folgte, die drei Männer gingen hinauf zum Kadaver des Braunbären und zogen ihn zur Hütte hinunter.

"Der hat echt super geschossen", sagt Sennerin Doris, die den drei Waidmännern in ihrer Hütte Unterschlupf für die Nacht gewährt hatte. "Und schreib' noch dazu: Ich bin froh, dass sie ihn geschossen haben."

Schon am Abend zuvor hatte sie den Bären mit offiziellem Namen JJ1 persönlich kennen gelernt. "Ich bin gegen 21 Uhr raus, um Holz zu holen. Da hat sich was bewegt." Es war Bruno, der gerade ein Schaf gerissen hatte und mit seiner Beute den Bergrücken vom Rotwandhaus, oberhalb des Spitzingsees (Kreis Miesbach) gelegen, hinabstieg.

"Mir ist schon komisch geworden"

"Dann hat er zwei andere Schafe gesehen, ein Lamm mit seiner Mutter. Da hat er das tote Schaf liegen gelassen und die beiden gejagt." Die zwei Schafe sind zur Hütte hinuntergerannt, und gleichzeitig hat sich Sennerin Doris von ihrem Tribünenplatz vor der Alm in die Hütte verzogen. "Mir ist schon komisch geworden."

Irgendwann trollte der Bär sich wieder den Bach hinauf. Bis zur Dämmerung konnten die Sennerin und zwei Jäger, die inzwischen gekommen waren, den Bären auf den offenen Almwiesen sehen. Die Jäger verließen die Alm gegen 22. 30 Uhr, eineinhalb Stunden später klopften aber die nächsten drei, die Bruno schließlich zur Strecke brachten.

Gut vier Wochen lang war der zweijährige Braunbär aus dem Trentino durch das bayerische-tirolerische Grenzgebiet gestreift. Und schon zwei Tage nachdem er im Graswangtal erstmals Schafe gerissen hatte, senkte der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf das erste Mal den Daumen über ihn. "JJ1 ist ein Risikobär", lautete die Einschätzung der Bärenexperten Manfred Wölfl, Felix Knauer und Georg Rauer, die den Minister berieten.

Nicht weil er Schafe riss und an Bienenstöcke ging, sondern weil er seine natürliche Scheu vor menschlichen Siedlungen verloren hatte.

Er suchte sie sogar gezielt auf, weil er gelernt hatte, dass er dort am einfachsten Beute machen kann. "Und das war es, was ihn zum unkalkulierbaren Risiko machte", sagt Manfred Wölfl. "Deshalb musste er abgeschossen werden - so bedauerlich das aus artenschützerischer Sicht ist."

Zumal Bayern und Tirol diesen Abschuss ursprünglich unbedingt verhindern wollten. Die beiden Regierungen hatten eigens finnische Bärenjäger mit ihren Elchhunden einfliegen lassen. Sie sollten JJ1 auf seinen Streifzügen quer durchs Gebirge nachspüren und ihm so nahe kommen, dass der Wiener Tierarzt Chris Walzer einen Betäubungsschuss hätte setzen können.

Doch so sehr sich die Finnen auch anstrengten, sie kamen in den zwei Wochen ihrer Jagdtätigkeit kein einziges Mal nahe genug an JJ1 heran, dass Walzer auch nur den Hauch einer Chance hatte. So reisten sie am Freitag wieder ab. Im Umweltministerium war da schon klar, dass jetzt nur noch der Abschuss bleibt. Nur dass es so schnell gehen würde, war überraschend.

Bereits am Samstag war Bruno im Rotwandgebiet herumgeturnt. Am Soinsee begegnete er drei Mountainbikern. Er wich ihnen aber sofort aus und schwamm durch den tiefgrünen Bergsee in Richtung Großtiefental-Alm. Dort riss er ein Schaf und ließ sich nicht einmal von fotografierenden Wanderern stören, als er es verzehrte.

"Die Behörden haben sich ganz schön angestellt"

Am Sonntag dürfte im Landratsamt und im Umweltministerium klar gewesen sein, dass sich Bruno so etwas nicht ein zweites Mal leisten darf. Die Rufbereitschaft für die Jäger stand bereits. In den frühen Stunden des Montags waren Brunos Streifzüge also endgültig beendet.

Ein paar Stunden nach dem Abschuss saß Nikolaus Schreyer, der Almbauer, am Rand des Ziehwegs, mit beiden Händen presste er zwei Lämmer an den Bauch. "Die Mutter hat sich der Bär geholt, die beiden müssen wir jetzt mit der Flasche aufziehen."

Wenig Verständnis zeigt er aber für das Vorgehen der Behörden. "Die haben sich ganz schön angestellt. Den hätte man gestern den ganzen Tag betäuben können."

© SZ vom 27.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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