Wendung im Gsell-Prozess:Autoschieber widerruft Geständnis

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Nach dem Tod ihres Mannes Franz Gsell war Tatjana Gsell ins Visier der Ermittler geraten. Laut Richter war sie nie beteiligt. (Foto: Eduard Weigert/dpa)
  • Ein verurteilter Autoschieber hat im Gsell-Prozess überraschend sein Geständnis widerrufen.
  • Er hoffte damals auf Strafrabatt, wenn er ein Geständnis ablegen würde.
  • Falls er jetzt die Wahrheit sagt, sind auch alle früheren Urteile im Fall Gsell falsch.

Verurteilter Autoschieber gesteht Falschaussage

Auch elf Jahre nach dem Tod des Nürnberger Schönheitschirurgen Franz Gsell stellt der Fall die Justiz vor ein Rätsel. Am Mittwoch hat ein vor neun Jahren verurteilter Autoschieber im neuen Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth ausgesagt, sein damaliges Geständnis sei frei erfunden gewesen. Es habe gar keine versuchte Autoschieberei gegeben.

Der heute 44-Jährige sagte, er sei am 5. Januar 2003, dem Tag, an dem Gsell überfallen und tödlich verletzt wurde, überhaupt nicht in Nürnberg gewesen. Da er jedoch wegen Raubes mit Todesfolge angeklagt worden war und befürchtet hatte, sehr lange ins Gefängnis zu müssen, habe er sich auf einen Deal eingelassen: Strafrabatt gegen Geständnis.

Nürnberg
:Prozess um den Tod des Schönheitschirurgen Franz Gsell wird neu aufgerollt

2003 wird der Nürnberger Schönheitschirurg Franz Gsell in seiner Villa überfallen und so schwer misshandelt, dass er wenig später seinen Verletzungen erliegt. Nie wurde die Tat aufgeklärt, doch nun stehen zwei Männern vor Gericht.

2005 wurden der heute 44-Jährige sowie ein Komplize wegen Autoschiebereien zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Das Urteil lautete auf versuchten Bandenbetrug und Anstiftung zum versuchten Versicherungsbetrug. Auch Gsells damalige Frau und ein mit ihr befreundeter Staatsanwalt aus Hof wurden wegen Vortäuschens einer Straftat und versuchten Versicherungsbetrugs verurteilt.

Tödliches Handgemenge bei Versicherungsbetrug

Das Gericht war damals überzeugt, dass die Autoschieber die teure Limousine der Gsells ins Ausland bringen sollten und das Paar dafür die Versicherungssumme kassieren wollte. Bei der Übergabe des Autos sei es dann jedoch zu einem handfesten Streit gekommen, bei dem Gsell tödlich verletzt wurde. Eine Mitschuld am Tod Gsells konnte keinem der damals Angeklagten nachgewiesen werden.

Heute sagt der 44-Jährige, andere Autoschiebereien habe er tatsächlich begangen. Eine Tat mehr wie die in Nürnberg sei da nicht ins Gewicht gefallen. Er habe jedoch keinesfalls wegen Raubes mit Todesfolge verurteilt werden wollen. "Als ich das erste Geständnis ablegte, wurde ich aus der Haft entlassen. Das war schon einmal ein Riesen-Schritt", sagte der Mann.

Auch Gsells Ehefrau könnte gelogen haben

Er habe zwar Kontakt zu Gsells damaliger Frau gehabt, berichtete der 44-Jährige. Sie habe ein Verkaufsinserat für das Auto in einer Zeitschrift geschaltet, woraufhin er sich bei ihr gemeldet habe. Man habe SMS ausgetauscht. "Letztlich war Tatjana Gsell nicht interessiert", sagt der Mann jedoch heute. Auf Nachfrage des Richters bestätigte er: "Ja, dann war Ende. Nicht interessiert." So sei es nie zu einem Besuch von ihm im Haus von Gsell gekommen.

Der Richter stellte daraufhin fest: "Das Interessante ist ja, dass wohl nicht nur sie, sondern alle möglichen anderen auch falsche Angaben gemacht haben." Dies könnte auch auf Gsells damalige Frau zutreffen. Sie soll am 21. oder 22. Oktober vernommen werden.

Sollten die jetzigen Aussagen des 44-Jährigen stimmen, wären die früheren Urteile im "Fall Gsell" allesamt falsch gewesen. Dann hätte es am 5. Januar 2003 gar keine versuchte Autoschieberei gegeben, sondern nur die Bluttat, für die sich derzeit zwei Männer verantworten müssen. Die 38 und 45 Jahre alten Angeklagten stehen seit Anfang Oktober wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge vor Gericht. Sie sollen den 76 Jahre alten Promi-Arzt Gsell damals überfallen und so schwer verletzt haben, dass der Mediziner drei Monate später an Multiorganversagen starb.

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