Wallfahrt:Maria hilf!

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Im saarländischen Marpingen soll drei Frauen die Gottesmutter erschienen sein, nun will sich die Kirche zu den Vorgängen erklären.

Claudia Fromme

Marianne Heck ist Schriftführerin der Gottesmutter. Die 72-Jährige aus Marpingen im Saarland führt Buch darüber, wo Maria bereits geholfen hat. 461 Erscheinungen, Heilungen und Bekehrungen hat sie verzeichnet, seit die Gottesmutter 1999 zu Gast im Härtelwald war. Von Mai bis Oktober soll Maria damals drei Frauen insgesamt 13 Mal erschienen sein, seither pilgern jährlich fast 60.000 Menschen in den Ort nahe St. Wendel, der 5400 Einwohner zählt.

Die drei Saarländerinnen Christine, Judith und Marion (v.l.) sind sich sicher, dass ihnen in Marpingen die Mutter Gottes erschienen ist (Foto: Foto: dpa)

Marianne Heck kann ihnen dabei zusehen - sie wohnt nur 100 Meter vom Härtelwald und der Kapelle entfernt. Und sie leitet den Verein Marien-Apostolat, der dafür sorgt, dass Pilger mit der aktuellen Heilsstatistik versorgt werden.

Typisch sei der Fall eines Schweizers, der starkes Asthma hatte und bereits auf dem Rückweg von Marpingen beschwerdefrei war, sagt Frau Heck. Er habe vom Gnadenwasser aus der Marienquelle getrunken. Etwas aber bedrückt Frau Heck: "Mir fehlen die richtig großen Fälle." Krebs, der weicht. Blinde, die sehen können. Lahme, die gehen können. Das wäre wichtig, sagt sie. Dann würde der Bischof nämlich begreifen, was wirklich los ist in Marpingen.

Sechs Jahre lang hat sich eine Kommission des zuständigen Bistums Trier damit befasst. Am Mittwoch wird Bischof Reinhard Marx erklären, was er von den Vorgängen hält. Ob Marpingen von einer "Marienverehrungsstätte" zum ersten deutschen "Erscheinungsort" aufsteigt. Ob er sicher ist, dass es sich bei den Geschichten aus dem Härtelwald um Übernatürliches handelt - was als wenig wahrscheinlich gilt. Kirchenrechtler, Historiker und Neurologen haben sich mit Marpingen befasst. Es gab Ortsbegehungen, die Seherinnen wurden untersucht, Heilsberichte geprüft und Archive durchforstet. Denn auch zu Ereignissen aus dem Jahr 1876 soll kirchenamtlich entschieden werden.

"Ich komme wieder"

Vor 129 Jahren soll Maria schon einmal in Marpingen erschienen sein. Damals berichteten drei achtjährige Mädchen von einer Frau im Härtelwald, die ihnen Botschaften einsprach. Die letzte war: "Ich komme wieder in einer sehr bedrängten Zeit." 1999 war die Zeit reif.

Marion Guttmann, Judith Hiber, und Christine Ney - alle nicht aus Marpingen - verkündeten, dass ihnen Maria im Härtelwald Botschaften übermittle. Etwa: "Betet den Rosenkranz!", "Hört auf den Papst!", "Betet viel, dass euer Land aufhört, die vielen Kinder zu töten!" Der katholische Religionswissenschaftler Karl-Heinz Ohlig aus Saarbrücken urteilte damals: "Für solche Botschaften hätte Maria nicht vom Himmel kommen müssen." Es seien die typischen Formeln der marienfrommen Szene.

Trotz solcher Kritik pilgerten an jedem Erscheinungstag Zehntausende nach Marpingen. Da sich Maria vorher ankündigte und meist arbeitnehmerfreundlich am Wochenende erschien, kamen immer mehr. Als Maria sich am 17. Oktober 1999 verabschiedete, sagten 35.000 Menschen Adieu. Sie waren mit 170 Bussen und 6000 Autos gekommen. Pilger aus ganz Europa, junge und alte, gesunde und kranke. Menschen, die schon in Lourdes und Fatima waren und nun auf Marpingen hofften.

Und auf Helmut Maria Gressung, den einstigen Leiter der erzkonservativen Marianischen Priesterbewegung in Deutschland, der eine zentrale Rolle bei den Erscheinungen spielen soll. Gressung wolle aus Marpingen ein zweites Lourdes machen, sagt Pfarrer Leo Hofmann, 68, der die dortige Mariä-Himmelfahrt-Gemeinde leitet. Er verehre Maria, aber die angeblichen Erscheinungen halte er für eine "Inszenierung", sagt der Pfarrer.

Einem mit Hofmann befreundeten Priester habe der 86-jährige Gressung erklärt: "Deutschland braucht ein Lourdes, und Marpingen ist der richtige Ort dafür." So verwundert es Hofmann nicht, dass viele Botschaften, die Maria den Seherinnen mitteilte, sehr nach den Grundsatzschriften der Marianischen Priester klingen. Eine der Seherinnen, Judith Hiber, geht Gressung in seinem Haushalt in Saarwellingen-Reisbach zur Hand. Für die alleinstehende 41-Jährige wie auch für Marion Guttmann und Christine Ney - beide verheiratet, Hausfrauen und Mütter - ist Gressung Beichtvater.

Die Frauen haben nie Interviews gegeben. Maria wünscht keine Sensationen, lassen sie mitteilen. Nur Christine Ney geht überhaupt ans Telefon. Sie wohnt in einem Weiler in den Vogesen, ist 31 Jahre alt, verheiratet und Mutter zweier Kinder. Sie ist überrascht, aber nicht abweisend. Ja, sie warte sehnsüchtig auf die Entscheidung aus Trier, genau wie die anderen. Mehr sage sie nicht. Warum? "Die Seherinnen dürfen nichts sagen." Warum? "Weil man uns das gesagt hat." Pfarrer Gressung? "Die Seherinnen dürfen nichts sagen." Gut, zwei Sätze: "Nur die Botschaften sind wichtig, und die gibt es schon. Daran kann keiner rütteln." Trier nicht und nicht die Presse mit ihren Lügen.

Neben Pfarrer Gressung ist der Freisinger Psychotherapeut und selbst ernannte Exorzist Jörg Müller ein weiterer Ratgeber der Seherinnen. Der Pallotinerpater befürchtet folgende Botschaft aus Trier: Constat de non supernaturalitate - es steht fest, dass sie (die Erscheinungen) nicht übernatürlich sind. Diese amtliche Formulierung ist üblich, wenn Erscheinungen nicht anerkannt werden; das ist eher die Regel. Er sei sicher, dass Maria in Marpingen erschienen ist, so Müller.

Das Problem seien die Skeptiker wie Pfarrer Hofmann. Hobbybauchredner und Zauberer Müller hat die Seherinnen untersucht. Er hat sie Tintenkleckse interpretieren lassen und ihnen bei Erscheinungen in die Augen geleuchtet. Sein Urteil: keine Neurosen, keine Manipulation, kein Bluff. Sein Gutachten hat er an den Bischof geschickt. Es fand keine Beachtung, sagt Müller. Zu Recht, sagen seine Kritiker. Im Generalvikariat spricht einer von "Hokuspokus".

Ein Wahlsieg als Zeichen

Im Ort heißt es, dass die Ereignisse von 1999 viel kaputtgemacht haben in Marpingen, das seit dem Mittelalter Marienwallfahrtsort ist. In einer Bürgerbefragung sprachen sich 1999 knapp 82 Prozent gegen die Bestrebungen des Kapellenvereins aus, den Ort zu einem zweiten Lourdes zu machen. Auch stimmten die Bürger dafür, dass die Gemeinde dem Verein den Pachtvertrag für die Verehrungsstätte kündigt. Erst nach einem Gerichtsstreit räumte der Kapellenverein den Wald.

Angeblich lagen da schon Pläne für eine Basilika beim damaligen Vorsitzenden Gottfried Schreiner in der Schublade. Der Beamte im saarländischen Kultusministerium versteht die Skepsis nicht. Die Zeichen seien deutlich gewesen, sagt er heute. Etwa am 4. und 5. September 1999. Da sei Maria gleich zwei Mal erschienen. Am Ende habe die CDU die Landtagswahl gewonnen - eine christliche Partei, das sage doch alles.

Werner Laub ist in der SPD und Bürgermeister von Marpingen. Auch er bete im Härtelwald, mit den "Ereignissen" habe das aber nichts zu tun. Maria werde in Marpingen auch nach dem Votum der Kommission verehrt, das sei vom Bischof so gewünscht. Doch hätte die massive Zunahme der Pilger Fakten geschaffen. Und so schüttete Laub geschickt den großen Graben zwischen Schwärmern, Skeptikern und Verehrern zu. Erfolgreich beantragte er Gelder für den Ausbau der Infrastruktur im Härtelwald.

Unlängst bewilligte die Landesregierung 900.000 Euro für Toiletten, Schutzräume und Abwassersysteme; 1,6 Millionen Euro sollen folgen. Ein wenig setze er auch auf den Abstrahleffekt der neu gestalteten Verehrungsstätte, sagt Laub. Schließlich hätte Marpingen mehr zu bieten. Der wichtigste Radweg des Saarlandes etwa führe direkt hinter dem Härtelwald her. Da könnten die Pilger ihre Wallfahrt doch gleich in einen längeren Urlaub in der Region einbinden.

© SZ vom 13.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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