Wahlkampf in Finnland:Eine Sexaffäre, die allen nützt

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Der finnische Premier Matti Vanhanen gilt als eher langweiliger Typ, doch ein Buch mit intimen Details, das seine Exfreundin veröffentlicht hat, verleiht ihm Charme.

Gunnar Herrmann

Mit seiner dunkelbraunen Cordhose und dem hellbraunen Wollpulli wirkt Finnlands Ministerpräsident Matti Vanhanen beim Wahlkampfauftritt in Esbo bei Helsinki nicht gerade wie ein Frauenschwarm.

"Du schmeckst besser als eine Ofenkartoffel": Finnlands Ministerpräsident Matti Vanhanen wenige Tage vor der Wahl, im Fokus der Aufmerksamkeit. (Foto: Foto: Reuters)

Marita Attola hat ihn dennoch gern. Die Rentnerin ist an diesem Vormittag extra ins Einkaufszentrum Iso Omena (,,Großer Apfel'') gekommen, um den Spitzenkandidaten zu sehen. Über ein Geländer gelehnt verfolgt sie die Ausführungen des Regierungschefs, der ein paar ausländischen Journalisten noch die finnische Politik erläutert, bevor er seine Wähler trifft.

Vanhanens Sätze sind lang und enthalten viele Zahlen. Attola findet das gut: ,,Wir wollen ja gar nicht wissen, was er daheim macht'', sagt sie. Wahrscheinlich weiß sie es trotzdem. Denn Vanhanens Ex-Freundin Susan Kuronen hat kürzlich ein ganzes Buch mit intimen Details aus ihrer Liebesbeziehung veröffentlicht. Seitdem wissen alle Finnen, dass stille Wasser sehr tief sein können.

,,Finnlands attraktivster Mann'', wie Jacques Chirac seinen Kollegen mal genannt hat, ist 51 Jahre alt, gut 1,90 Meter groß, hat zwei Kinder und ist seit 2005 geschieden. Über sein Liebesleben nach der Scheidung kursierten schon lange Gerüchte. Im Sommer vergangenen Jahres beendete Vanhanen selbst die Spekulationen und zeigte sich erstmals mit seiner Freundin, der 36-jährigen Susan Kuronen.

Schluss per SMS

Richtig interessant wurde das Privatleben des Politikers aber erst, als die Beziehung nach neun Monaten endete. Vanhanen begründete die Trennung damals mit dem Mediendruck, und dass er seinen Kindern nicht zumuten wolle, in der Zeitung über seine Affäre zu lesen. Insofern erscheint sein Verhalten im Rückblick etwas unbeholfen - denn schon die Art, wie Vanhanen Schluss machte, entfachte große Diskussionen.

Der Politiker wählte die Nokia-Lösung und schickte Kuronen eine SMS mit dem Inhalt: ,,Das war's''. Selbst im handybegeisterten Finnland gilt so etwas als ziemlich roh. Kuronen, die in Zeitungen bald ausgiebig über die Beziehung plauderte, hatte die Sympathien zunächst auf ihrer Seite.

Vanhanen flogen die Herzen der Bürger dann spätestens seit dem Tag zu, als Kuronen die Medien in Helsinki zu einer Pressekonferenz lud und dort ein ganzes Buch mit dem Titel ,,Die Braut des Ministerpräsidenten'' präsentierte. Damit, so die vorherrschende Meinung, ging sie zu weit. Das Werk wurde dennoch ein Bestseller.

Das Wort ,,Braut'' im Titel ist irreführend, denn es spricht vieles dafür, das Vanhanen nicht wirklich ans Heiraten dachte, als er die Beziehung begann. Der erste Kontakt zu Kuronen kam dem Buch zufolge über einen Partner-Suchdienst im Internet zustande, bei dem die alleinerziehende Mutter eine Anzeige geschaltet hatte.

"Du schmeckst besser als eine Ofenkartoffel"

Vanhanen war die Sache wohl peinlich, denn er hatte zunächst erzählt, er habe seine Susan bei Ikea kennen gelernt. Kuronen sagt dagegen, das Möbelhaus habe in der Beziehung nur insofern eine Rolle gespielt, als Vanhanen sie ganz in der Nähe mit seiner Limousine zum ersten Treffen abholte.

Dass der Politiker flunkerte, um sein Privatleben zu schützen, nimmt ihm aber niemand übel. Die meisten Finnen finden sogar, dass ihr Regierungschef die Affäre wie ein Gentleman erträgt - er schweigt. Mit keinem Wort hat er die Details kommentiert, die seit der Veröffentlichung des Buches über ihn bekannt wurden.

Es gibt eine Menge solcher Details. Kuronen zitiert ausführlich aus den Briefen und Kurznachrichten, die der verliebte Ministerpräsident ihr zukommen ließ, beschreibt Gespräche in der Sauna und kulinarische Vorlieben des Ex-Freundes. ,,Ofenkartoffeln liebt Matti über alles'', heißt es etwa. ,,Einmal als er mich küsste, behauptete er, dass ich besser schmecke als eine Ofenkartoffel. Das war stark!'' Außerdem verrät Kuronen, dass ihre Treffen mit Vanhanen einem festen Schema folgten. Nach Saunagang und Sex widmete man sich dem vom Ministerpräsidenten zubereiteten Abendessen.

Skandalberichterstattung perlt an Vanhanen ab

Im selbst für finnische Verhältnisse recht ruhigen Wahlkampf ist die Affäre kein Thema. Wahrscheinlich wird sie dem Regierungschef und seiner liberal-konservativen Zentrumspartei bei der Parlamentswahl am kommenden Sonntag aber nützen, verleiht sie dem Politiker, der sonst wie ein grauer Beamter wirkt, doch einen Hauch von Abenteuer.

Die Ruhe, mit der Vanhanen das Klatschgewitter der vergangenen Monate über sich ergehen ließ, beeindruckt selbst altgediente Beobachter. ,,Der Mann ist ein Phänomen'', sagt etwa Björn Månsson, politischer Kommentator der Zeitung Hufvudstadsbladet. Die ganze Skandalberichterstattung sei an Vanhanen abgeperlt ,,als sei er mit Teflon beschichtet''.

Jedenfalls ist der Regierungschef derzeit so populär wie nie, seine Herausforderer von den Sozialdemokraten und der Sammlungspartei hat er in Umfragen weit hinter sich gelassen. Auch der Auftritt im ,,Großen Apfel'' in Esbo ist ein Erfolg. Vanhanen macht eine gute Figur in seiner Cordhose, streichelt Kinderköpfe und beantwortet geduldig alle Fragen. Auch Marita Attola darf ihrem Ministerpräsidenten schließlich die Hand schütteln. ,,Er ist so sachlich'', schwärmt sie. ,,Und er spricht nie über sich selbst.''

© SZ vom 14.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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