Von Beuys bis Beutler:Übermalt, geputzt, weggeworfen

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Der Tatbestand der subversiven Werkaneignung hat eine glanzvolle Geschichte.

Von Gerhard Matzig

Joseph Beuys erwischte es drei-, ja viermal. Bekannt wurde der Hausmeister der Kunstakademie Düsseldorf, der - erstens - die dort installierte Fettecke nach dem Tod von Beuys, 1986, in einen Abfalleimer entsorgte. Kaum weniger beherzt machte sich 13 Jahre zuvor - zweitens - der SPD-Ortsverein Leverkusen-Alkenrath ein Werk des Künstlers zu eigen: Die SPD-Mitglieder Hilde Müller und Marianne Klein suchten im Städtischen Museum für moderne Kunst, Event-Location schon damals, nach einer Schüssel zum Gläserspülen. Sie fanden eine mit Heftpflaster, Mullbinden, Fett und Kupferdraht kunstvoll bearbeitete Säuglingsbadewanne. "Wir dachten, das alte Ding könnten wir schön sauber machen und zum Spülen benutzen." Gedacht, getan. Der Schaden damals: 58 000 DM. Und drittens? Drittens trug das alte Ding, die Wanne, eine Schrifttafel, wonach darin einst der Säugling Joseph Beuys gebadet worden sei. Ein Unbekannter ergänzte: "wohl zu heiß".

Die Geschichte subversiver Werkaneignung ist prachtvoll und hat viele wunderbare Helden der alternativen Kunstkritik hervorgebracht. Wie zum Beispiel den mittlerweile in Ehren pensionierten Leiter der "Stabsstelle Sauberes Frankfurt", Peter Postleb. Der ließ einst einen illegal aus Sperrmüll zusammengetackerten Unterstand für Prostituierte entsorgen, wobei sich herausstellte: Das war gar kein Sperrmüll - sondern Kunst im öffentlichen Raum. Der Künstler, Michael Beutler, nahm es mit Humor. Heißt es nicht immer, wahre Kunst müsse die gängigen Sehgewohnheiten unterlaufen? Eben. In die Geschichte zur Frage "Ist das Kunst oder kann das weg?" hat sich auch jene Putzfrau eingeschrieben, die vor einigen Jahren eine 800 000 Euro teure Installation von Martin Kippenberger sozusagen wegfeudelte, nämlich in Form einer zum Werk gehörigen "weißlich-kalkigen Schicht". Die Installation hieß "Wenn's anfängt durch die Decke zu tropfen".

Banksy wurde im Übereifer übermalt und Tracy Emins Exponat "My Bed" (dreckige Laken, gebrauchte Kondome und zerrissene Unterwäsche) wurde kräftig aufgeschüttelt. Wobei es nicht immer Putzfrauen, Hausmeister oder Vollzugsbedienstete sind, die der Kunst gefährlich werden. Manchmal sind es die Kollegen. Der Schweizer Künstler Dieter Roth zertrampelte - viertens - eine Beuys-Installation aus Neid und Wut. Besucher hatten sich auf Roths Ausstellungsbeitrag gesetzt, eine Campinggarnitur, um von dort aus das Werk von Beuys zu würdigen.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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