Viren-Infektionen:Biowaffe Hamsterratte

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In den USA haben sich erstmals Menschen mit Pockenviren infiziert. Bereits 23 Menschen sind an den Affenpocken erkrankt. Dahinter steckt jedoch kein Terroranschlag. Der Infektionsherd ist vielmehr ein aus Afrika eingeführter Haustier-Exot.

Christina Berndt

(SZ vom 10.06.2003) - Die USA hat erwischt, wovor sie sich schon lange fürchten. Pockenviren haben im Mittleren Westen 23 Menschen befallen.

Doch die Amerikaner sind keineswegs Opfer eines Anschlags von Saddam Hussein oder Osama bin Laden geworden. Die Bioterroristin war Mutter Natur, und als Handlager dienten ihr tiervernarrte US-Bürger mit einem Hang zum Extremen.

Infiziertes Haustier

Es war Mitte Mai, als Tammy Kautzer ihre vierjährige Tochter zum Arzt brachte, weil sie nicht aufhörte, sich mit hohem Fieber und Schüttelfrost im Bett zu wälzen.

Wenige Tage zuvor hatte dem Mädchen ein Präriehund in den Finger gebissen: Er war das neue Haustier der Familie und trug offenbar die Affenpocken in sich. Die Krankheit, die üblicherweise in West- und Zentralafrika vorkommt und dort von Nagetieren übertragen wird, ist eng mit den echten Pocken verwandt. Sie ist aber weit weniger gefährlich: In Afrika tötet sie ein bis zehn Prozent der Infizierten.

Aus Afrika eingeschleppt

Bis zum Fall der kleinen Kautzer-Tochter hatte es nie Affenpocken auf dem amerikanischen Kontinent gegeben. Vermutlich wurden sie nun von einer Riesenhamsterratte aus Gambia eingeschleppt.

Ein Händler in Illinois habe das Tier zusammen mit Präriehunden gehalten, so die US-Seuchenkontrollbehörde CDC. Hamsterratten erreichen die Größe von kleinen Katzen und werden ebenso wie Präriehunde als Haustiere immer beliebter. "Sie sind intelligent und können sehr zahm werden", schwärmt Jazmyn Concolor vom Verband National Alternative Pet Association, der sich an Liebhaber "exotischer und alternativer Haustiere" wendet.

Möglichkeit, neue Lebensräume zu erobern

Freude bereitet die neue, enge Beziehung zwischen Mensch und wildem Tier jedoch auch den Viren. Denn diese erhalten so die Möglichkeit, sich neue Lebensräume zu erobern. Auch der Erreger der Lungenkrankheit SARS, der die Welt vor kurzem in Aufregung versetzte, stammt offenbar von einem Tier: der Zibetkatze, die in China als Delikatesse verspeist wird. Und auf besonders brutale Weise hat das Aids-Virus, das ursprünglich nur Affen befiel, inzwischen vom Menschen Besitz ergriffen.

"Theoretisch könnte sich auch das Affenpocken-Virus dem Menschen anpassen und dann eine Epidemie auslösen", sagt der Virologe Alexander Kekulé von der Universität Halle-Wittenberg. Beunruhigend sei, dass der Erreger, der erst 1971 entdeckt worden ist, in Afrika bereits von Mensch zu Mensch überspringt.

Früher haben sich nur einzelne Personen durch Affen oder Eichhörnchen infiziert. Sie selbst gaben aber das Virus nicht weiter. Bei der letzten großen Epidemie in Kongo haben sich jedoch sieben von zehn Personen bei anderen Menschen angesteckt - vermutlich, weil viele Afrikaner an Aids leiden und dadurch immungeschwächt sind. "Wenn ein Virus aber länger im Menschen lebt, erhält es die Chance, sich besser an uns anzupassen", warnt Kekulé. "Es wird dann gefährlicher."

Bislang nur enge Tierfreunde erkrankt

Bisher sind in den USA allerdings ausschließlich enge Tierfreunde erkrankt. Nur vier von ihnen wurden ins Krankenhaus eingewiesen, und lebensbedrohlich wurden die Affenpocken in keinem Fall. Den infizierten Nagetieren erging es da deutlich schlechter. Auch der Präriehund, der Tammy Kautzers kleine Tochter biss, ist inzwischen gestorben. Ihren zweiten Präriehund will die Familie trotzdem behalten. "Er ist so freundlich", sagt die Mutter. "Er rennt auf einen zu und reibt sich an einem."

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