Verurteilung eines Arztes:Baby starb nach falscher Spritze

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Der angeklagte Mediziner im Berufungsprozess um den Tod eines Babys neben einem seiner Verteidiger im Landgericht in Bielefeld. (Foto: dpa)

Als Medizinstudent machte er einen entscheidenden Fehler - nun wurde ein junger Arzt in zweiter Instanz wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Er hätte nach Ansicht des Richters den Tod eines Babys mit einer Nachfrage verhindern können.

Zwei Jahre nach dem Tod eines Babys durch eine falsche Spritze hat das Landgericht Bielefeld die Verurteilung des verantwortlichen Mediziners bestätigt, zugleich jedoch die Strafe verringert. Der Arzt wurde damit auch in zweiter Instanz wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

Der damals 29 Jahre alte Student im Praktischen Jahr hätte das Unglück mit einer Nachfrage verhindern können, sagte der Richter am Mittwoch in der Urteilsbegründung. Das Gericht reduzierte zugleich die in erster Instanz verhängte Geldstrafe von 120 auf 90 Tagessätze. Der Betrag bleibt zwar gleich bei 1800 Euro - durch die geringere Tagessatzanzahl taucht die Verurteilung aber nicht mehr im Führungszeugnis des Arztes auf, die sonst ab 91 Tagessätzen vermerkt wird.

"Organisationsproblematik" des Klinikums

In der Bielefelder Klinik seien für die orale und die intravenöse Gabe von Medikamenten die gleichen Spritzen verwendet worden, stellte das Gericht fest. Dabei sei damals auch in Deutschland schon bekanntgewesen, dass es in Amerika in Dutzenden von Fällen zu Verwechslungen gekommen sei. Dennoch habe das Evangelische Krankenhaus Bielefeld sein Spritzensystem in der Kinderkrebsstation erst am Tag nach dem Unglück auf unverwechselbare Spritzen umgestellt. Diese "Organisationsproblematik" habe das Gericht in sein Urteil einbezogen.

Das unter Leukämie leidende Baby war durch eine irrtümlich intravenös gegebene Spritze gestorben. Unter anderem wurde es mit einem Antibiotikum zum Schlucken behandelt, das ihm aus einer Spritze in den Mund geträufelt wurde. Der Medizinstudent hatte dieses Antibiotikum fälschlicherweise in eine Kanüle gegeben und dem Baby als Infusion verabreicht. Der zehn Monate alte Junge war dreieinhalb Stunden danach gestorben.

Der Angeklagte nahm das Urteil scheinbar regungslos auf. Die Eltern des Opfers, die oft mit den Tränen kämpfend als Nebenkläger die Verhandlung verfolgt hatten, verließen noch während der Urteilsbegründung empört den Saal.

Ein Blackout des Medizinstudenten

Das Praktische Jahr (PJ) ist der praktische Abschluss des Medizinstudiums. Als der Student gerade eine Woche auf der Station war, kam es zu dem Unglück. Er sollte eigentlich dem Kind nur Blut abnehmen, sagte der Richter. Der Medizinstudent habe die Krankenschwester aber so verstanden, dass er auch ein Antibiotikum verabreichen sollte.

Der ausgebildete Rettungssanitäter und Medizinstudent habe die Krankenakte des Jungen nicht gekannt und auch die Morgenübergabe auf der Station verpasst. Zudem sei die Spritze entgegen der sonst üblichen Praxis für intravenöse Gabe nicht beschriftet gewesen, betonte Richter Lerch.

Der Chefarzt habe vor Gericht glaubhaft ausgesagt, der Student habe von einem "Blackout" gesprochen. "Bei den Fähigkeiten und den Erfahrungen des Angeklagten ist sein Handeln nur mit einem Blackout zu erklären", sagte der Richter. Die Verteidiger hatten Freispruch gefordert. Die Klinik treffe durch die schlechte Organisation eine Mitschuld. Die Staatsanwaltschaft plädierte dafür, dennoch das Urteil der ersten Instanz wegen fahrlässiger Tötung zu bestätigen. Beide Seiten wollen jetzt zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, bevor sie sich dazu äußern, ob sie das Urteil anfechten wollen.

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