Vermisste Schülerin aus Freiburg:Aus dem Netz gefallen

Lesezeit: 3 min

Seit mehr als einer Woche ist die Schülerin Maria verschwunden - abgehauen, vermutlich. Mit einem 53-Jährigen, den sie im Internet kennengelernt hatte. Jetzt suchen Polizei und Interpol nach dem Mann und dem Mädchen. Auch wenn sie wieder auftauchen, könnte der Fall sie noch lange belasten.

Von Max Hägler

An dem Ort, wo diese zweifelhafte Angelegenheit wahrscheinlich ihren Ausgang genommen hat, zählen sie die Stunden und Tage: "Maria wird die zehnte Nacht vermisst. . . Bitte helft mir, meine Tochter wiederzufinden", steht da auf einer Internetseite und auch auf Facebook. Und dann der Appell: "Maria! Wenn Du das hier lesen solltest, melde Dich bitte: nenne einfach den Kosenamen, den wir Dir schon als Baby gaben. Dann wissen wir, dass Du es bist."

Doch Maria-Brigitte H., 13, Schülerin aus Freiburg, hat sich bislang nicht bei ihrer Mutter gemeldet. Wahrscheinlich ist sie mit einem Bekannten unterwegs, den sie im Internet bei einem Chat kennengelernt hat, auf der Suche nach der ersten großen Liebe vielleicht, niemand weiß es so genau. Am vorvergangenen Samstag hatte das Mädchen daheim erzählt, zu einer Freundin zu gehen. Doch sie kam nicht mehr nach Hause, ist verschwunden, seit über einer Woche nun.

Fahndungsplakate und Suche durch Interpol

Schnell hatten die Angehörigen eine Vermutung, die die Polizei teilt: Maria könnte mit dem Mann unterwegs sein, mit dem sie seit etwa einem Jahr Kontakt über das Internet hat. Bernhard Haase, heißt er, 53 Jahre ist er alt, kommt aus dem nordrhein-westfälischen Blomberg und soll einen weißen Schäferhund haben.

Seitdem Maria verschwunden ist, tauchte der Elektriker nicht mehr bei der Arbeit auf, ist ebenfalls verschwunden, zum ersten Mal unentschuldigt seit Jahren. Und er habe, sagt Laura Riske, Sprecherin der Polizei Freiburg, das Mädchen bereits mehrmals persönlich besucht. Auch deshalb ist die Vermutung der Ermittler, der Mann habe mit dem Verschwinden zu tun, derart wahrscheinlich, dass sie mittlerweile seinen Namen öffentlich gemacht haben. Über Fahndungsplakate und per Interpol suchen die Behörden nach dem mutmaßlichen Pärchen. Annähernd 300 Hinweise gibt es mittlerweile, aber keine heiße Spur.

Eine Art Liebesbeziehung

Das Foto, das die Polizei zur Fahndung benutzt, zeigt ein Mädchen mit dezentem Make-Up, das sie älter aussehen lässt, nicht wie ein Kind. Und doch ist klar: 13 Jahre und 53 Jahre - das wäre, wenn die Vermutung zuträfe, nicht machbar. "Wir gehen immerhin davon aus, dass Maria freiwillig unterwegs ist und nicht in Lebensgefahr ist, sondern in einer Art Liebesbeziehung", sagt Polizeisprecherin Riske. Der Vorwurf der Ermittler lautet deshalb vorerst nicht auf Entführung, sondern nur auf Kindesentziehung - eine 13-Jährige darf auch gegen den Willen ihrer Sorgeberechtigten nicht so einfach herumreisen. Und weil Liebe oft mit Sex zu tun hat, steht auch der Verdacht des sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Haftbefehl.

Marias Verschwinden ist Anlass für Experten, die Verhaltensregeln durchzudeklinieren, die jeder im Internet befolgen sollte. "So traurig das Ereignis für die Angehörigen ist, es führt doch vielen vor Augen, wie gefährlich Internetbekanntschaften sein können", sagt Andreas Mayer, Geschäftsführer der Geschäftsstelle für Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes. "Wir empfehlen dringend, dass jeder in sozialen Netzwerken sehr geizig ist - das sollte der Grundsatz sein, egal ob es um den Namen geht, um Fotos, um Schuldaten."

Es ist wie im richtigen Leben: Auf der Straße gibt man auch nicht jedem seine Daten heraus. Meist wissen nur Freunde und die Familie viel. Aliasnamen seien kein Anhaltspunkt, warnt Kriminaldirektor Mayer. "Zugespitzt formuliert: Sandra14, die nette Komplimente macht, ist in Wahrheit oft ein 46-jähriger Markus." Gefakte Accounts nennt man das in der Internet-Umgangssprache: Ohne Probleme lassen sich mit erfundenen Namen und fremden Fotos Profile vortäuschen. "Man muss stets misstrauisch sein", mahnt Mayer.

Wer engeren Kontakt sucht, der solle versuchen, die Personenangaben zu überprüfen: Ein Foto vom Ausweis könnte man sich schicken lassen. Oder per Telefon könnte man zumindest hören, ob tatsächlich ein Mann oder eine Frau an der Leitung ist. Eine Versicherung bieten Telefonnummern allerdings nicht: Heutzutage lassen sie sich ohne große Registrierung besorgen. Eine Nachverfolgung zu einem bestimmten Nutzer ist oft nicht möglich, genauso wie Polizisten gerade bei internationalen Internetseiten nur sehr schwer und zeitaufwendig an Nutzerdaten möglicher Täter kommen. Deshalb gelte umso mehr, wenn man ein Treffen vereinbart: immer in Begleitung eines Erwachsenen und immer an einem öffentlich Ort, rät Mayer.

Eine Regel scheint Maria befolgt zu haben - die mit dem Treffen in der Öffentlichkeit: Das Mädchen, so heißt es, wurde von ihrem Bekannten auch von der Schule abgeholt, viel öffentlicher geht es nicht. Auch wenn die Vermissten wieder auftauchen, werde die Geschichte sie weiter verfolgen, gibt Polizeisprecherin Riske zu bedenken.

Die Namensveröffentlichung sei angesichts der Umstände ein Spagat gewesen zwischen Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte und die Fürsorgepflicht: "In irgendeiner Form müssen die weiterleben können." Das wird nicht einfach, denn das Netz, das sie zusammengebracht hat, wird ihre Namen nicht vergessen.

© SZ vom 16.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: