Verbrechen:Igor, der Schreckliche

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Sie nennen ihn "Igor, der Russe", dabei heißt er weder Igor, noch ist er Russe. Monatelang hat der flüchtige Doppelmörder die Menschen in Norditalien in Angststarre versetzt. Jetzt ist er in Spanien festgenommen worden. Eine ganze Region atmet auf.

Von Oliver Meiler, Rom

In Italien nennen sie ihn "Igor il russo". Dabei heißt der Mann weder Igor, noch ist er Russe. Nun, da er in Spanien verhaftet wurde, weicht eine monatelange Angststarre. Seit April hatten die Italiener nach Norbert Feher gefahndet, einem serbischen Staatsangehörigen und früheren Soldaten, der um die 40 Jahre alt sein soll. Tag und Nacht suchten sie, mit einem Großaufgebot an Polizisten und Geheimdienstlern, mit Spürhunden und Drohnen. Überall in Italien, zunächst aber vor allem im Norden, in der Umgebung von Budrio bei Bologna. Dort hat Feher zwei Menschen umgebracht. Am 1. April betrat er einen Tabakladen, schoss mit einem Jagdgewehr in die Luft und forderte den Besitzer auf, das Geld in der Kasse herauszugeben. Es war nicht viel. Das Opfer versuchte dennoch, sich zu wehren, da brachte ihn der Eindringling um, mit einem Schuss in die Brust.

Einige Tage später, als die Großfahndung schon lief, begegnete Feher in einem Wald in der Nähe Budrios einem Förster. Als ihn dieser zur Rede stellen wollte, erschoss er ihn. Der Förster war unbewaffnet. Die beiden Taten erschütterten die Italiener, und sie lösten eine Großdebatte aus über das leidige Thema Notwehr und Waffenbesitz. Sie wurde umso heftiger geführt, als bekannt wurde, dass es sich bei dem Mörder um diesen "Igor" handeln müsse.

Im Gefängnis gab er sich geläutert, las in der Bibel. Und kam vorzeitig frei

Allein die Nennung des Namens sorgte für Unbehagen. Man kannte ihn auch unter "Rambo" und "Ninja" - ein Waffennarr und Kämpfer, der sich immer neue Identitäten zulegte. Mal gab er sich als Kroate aus, mal als Italiener. Italienisch spricht er perfekt. Auch des Chinesischen soll er mächtig sein. Bald rankten sich viele unbestätigte Legenden um die mysteriöse Persönlichkeit. So viel ist gewiss: Feher zog 2006 nach Italien. Bald, nachdem er angekommen war, musste er ins Gefängnis. Die Justiz überführte ihn eines bewaffneten Überfalls. Im Gefängnis gab er sich als Vorzeigehäftling und ließ sich oft mit der Bibel sehen. Er sei gottesfürchtig geworden, hieß es. Wegen guter Führung erließ man ihm zwei Jahre Haft, 2015 kam er frei. Was im Jahr vor den Morden in Budrio passierte, ist nicht so klar. Es gibt da noch einen weiteren Mord, dessen man ihn verdächtigt. In der Gegend war man nun dermaßen verängstigt, dass sich viele in der Nacht nicht mehr aus dem Haus wagten. Andere legten Essen vor die Tür, damit sich "Igor", sollte er sich auf der Flucht verpflegen müssen, nicht gewaltsam Eintritt verschaffen würde. Mitunter kuriose Gruselgeschichten machten die Runde, etwa, dass er so gut trainiert sei, dass er wochenlang überleben könne; oder auch, dass er die Spürhunde düpierte habe, indem er Flüsse durchwatete.

Jedenfalls wurde er "meistgesuchten Mann" Italiens. Vor einigen Wochen gab es Hinweise, dass Feher sich nach Spanien abgesetzt haben könnte. Er hielt sich aber nicht im Malaga auf, wie man es zunächst vermutete, sondern in der nordspanischen Region Aragon. Warum er ausgerechnet dahin flüchtete, bleibt ein Rätsel. In Teruel tötete Feher nun zwei Beamte der Guardia Civil, 30 und 38 Jahre alt, die ihn kontrollieren wollten, und einen Bauern, der zufällig am Tatort war. Er türmte mit den Waffen der Polizisten. Vielleicht wäre er noch länger auf der Flucht gewesen, wenn ihm nicht ein Missgeschick unterlaufen wäre. In der Nacht auf Freitag baute Feher einen Unfall mit seinem Wagen, einem Pick-up. Er führte ein Fahrrad mit, damit kam er noch einige Kilometer weiter. Als die Polizei ihn schließlich stellte, wehrte er sich nicht.

Italien wird die Auslieferung beantragen, sobald die Spanier fertig sind mit Feher. Um ihm den Prozess zu machen. Vielleicht geht man dann auch der Frage nach, wie es kam, dass "Igor der Russe" fast neun Monate lang flüchtig sein konnte. "War das ohne Hilfe überhaupt möglich?", fragt die Zeitung La Repubblica. Die Angst aber, die ist weg.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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