Vassilis Paleokostas:Griechischer Gangster mit Heldenqualitäten

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Proteststimmung in Griechenland: Nachdem Vassilis Paleokostas per Hubschrauber aus dem Gefängnis türmen konnte, wird der Gangster für öffentliche Ämter empfohlen.

C. Schlötzer

Es ist nicht bekannt, ob sich Vassilis Paleokostas für Politik interessiert. Gewöhnlich haben Gangster andere Prioritäten. Wenn nun der griechische Großkriminelle in seiner Heimat für öffentliche Ämter empfohlen wird, zumindest in allerlei politischen Witzen, dann hat dies viel mit dem Zustand des Staates zu tun, den der 42-Jährige düpierte wie selten jemand zuvor.

Griechischer Gangster: Vassilis Paleokostas (Foto: Foto: AP)

Korydallos bei Athen ist nicht irgendein Gefängnis, Korydallos ist das Stammheim Griechenlands, eine Hochsicherheits-Haftanstalt, in der auch zu vielfach lebenslang verurteilte Terrortäter einsitzen. Paleokostas hat dieses Gefängnis auf dem Luftweg verlassen: per Hubschrauber, selbstorganisiert - und dies bereits zum zweiten Mal in nur drei Jahren.

Anwohner filmten die für ein Hollywood-Drehbuch geeignete Flucht, das Video läuft auf griechischen TV-Sendern, und im Internet fragen Witzbolde, warum Paleokostas einen Helikopter nahm? Die Antwort: "Weil in Eleftherios Venizelos gestreikt wird." So heißt der Flughafen von Athen, dort legten in dieser Woche wieder einmal die Fluglotsen die Arbeit nieder.

Das ganze Land ist derzeit auf Protest gestimmt, Schüler und Studenten haben erst jüngst die Innenstädte zertrümmert, Bauern Straßen blockiert. Es herrscht große Unzufriedenheit mit der Regierung, ja mit der gesamten Politik und der Justiz, die es nicht schafft, Korruption und Gesetzlosigkeit zu ahnden. So groß ist der allgemeine Frust über den politischen Stillstand, dass sogar ein Ausbrecherkönig, der die Regierenden narrt, Heldenstatus gewinnt.

Lebenslauf eines Kriminellen

Die Karriere des bekanntesten griechischen Kriminellen begann früh. Schon 1988 hatte er seinem vier Jahre älteren Bruder Nikos geholfen - damals noch mit einem Seil über der Mauer - aus dem Gefängnis im heimischen Trikala in Thessalien zu entkommen. Die Brüder arbeiteten auch bei Überfällen, zuerst auf Juweliergeschäfte, später auf Banken, gekonnt zusammen. Und immer wieder flohen sie aus verschiedenen Haftanstalten. Als Polizisten nach einem Bankraub einmal zu Fuß ihre Verfolgung aufnahmen, warfen die Paleokostas Geldscheine in die Luft, um die Jäger zu stoppen.

Geld sollen sie auch an Bedürftige in ihrer Heimatgemeinde verteilt haben, jedenfalls halten sich solche Gerüchte. Auch andernorts kauften sie wohl Schutz nach Mafia-Art. Als Vassilis Paleokostas im August 2008 zuletzt geschnappt wurde, applaudierten junge Leute vor dem Gerichtsgebäude - nicht der Polizei, sondern dem Gangster, der wegen der Entführung eines prominenten Unternehmers angeklagt wurde.

Diese Entführung war gegen eine hohe Lösegeldsumme unblutig beendet worden. Auch sonst soll Vassilis Paleokostas bisher niemand schwer verletzt haben, was zu seinem Heldenimage beiträgt. Der Komplize des Mannes, der so gern den Gentleman-Gangster mimt, aber ist kein feiner Herr. Wie 2006 auch floh Paleokostas mit dem Schwerkriminellen Alket Rizai, einem verurteilten Mörder. Zwei Gefängniswärter wurden - nur drei Tage nach dem Ausbruch - nun zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie die beiden Männer zum gemeinsamen Hofgang ließen. So schnell ist die griechische Justiz sonst nie.

© SZ vom 27.02.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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