USA:Nicht lustig

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Ab Montag werden die Geschworenen für den Prozess gegen Bill Cosby ausgewählt. Der hat sich nun erstmals selbst zu den Vorwürfen geäußert - in einem Radiointerview. Denn Bill Cosby hat einen Plan.

Von Jürgen Schmieder

Wer sich Bill Cosby als Künstler vorstellt, der ein Leben lang an einer Statue von sich selbst bastelt, der versteht, warum er nun dem Radiomoderator Michael Smerconish ein ausführliches Interview gegeben hat. Zum ersten Mal seit zwei Jahren äußerte sich der Schauspieler öffentlich zu den Vorwürfen der sexuellen Nötigung, wegen derer er sich vom 5. Juni an vor einem Gericht in Pennsylvania verantworten muss. "Ich will was für die Menschen tun, die noch immer an mich glauben", sagte Cosby in dem am Dienstag auf dem Sender Sirius-XM gesendeten Gespräch auf die Frage, warum er gerade jetzt einem Interview zugestimmt habe.

Vor allem muss er was für die Geschworenen tun, die ab Montag ausgewählt werden sollen. Das bestätigte seine Anwältin Angela Agrusa der Süddeutschen Zeitung: "Die Öffentlichkeit hat meinen Mandanten doch bereits vor Prozessbeginn geschlossen verurteilt. Diese Wahrnehmung müssen wir nun ändern."

Seit mehr als 55 Jahren steht Bill Cosby, 79, auf diversen Bühnen Amerikas, er hat in dieser Zeit als moralische Instanz der Mittelklasse ein makelloses Bildnis seiner selbst gemeißelt, überlebensgroß und mit unerschütterlichem Fundament. In den vergangenen Jahren allerdings wurde diese Statue nicht nur besudelt und beschädigt, sondern regelrecht in die Luft gejagt. Insgesamt 57 Frauen haben sich öffentlich gemeldet, ihre Vorwürfe weisen Parallelen auf: Der Fernsehstar soll jungen Frauen versprochen haben, ihre Karrieren zu fördern und sie auf Partys den dafür wichtigen Menschen vorzustellen. Dort soll er ihnen Drogen verabreicht und sie belästigt, genötigt und missbraucht haben.

Im Gespräch verwendete Bill Cosby ausgerechnet ein Zitat einer Frauenrechtlerin

Viele dieser Fälle sind lange her, einige länger als 50 Jahre, Cosby kann dafür nicht mehr strafrechtlich belangt werden - und die möglichen Geldstrafen bei einer Verurteilung in einem der angestrengten Zivilverfahren oder bei einer außergerichtlichen Einigung dürfte sich Cosby leisten können. Es gibt aber dieses eine Strafverfahren, das in drei Wochen beginnt und bei dem Cosby bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft und eine Registrierung als Sexualstraftäter drohen: Er soll vor knapp 13 Jahren eine Mitarbeiterin der Temple University unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht haben.

Es gab in dieser Sache auch schon eine Zivilklage im Jahr 2005 und in diesem Zusammenhang eine Anhörung. Cosby hatte damals zugegeben, der Uni-Mitarbeiterin Andrea Constand das Schlafmittel Methaqualon verabreicht und sie berührt zu haben, in der Mitschrift stehen Sätze wie diese: "Ich habe nicht gehört, dass sie was gesagt hat. Ich habe weitergemacht und bin in diesen Bereich gelangt, der irgendwo zwischen Erlaubnis und Ablehnung war. Ich wurde nicht aufgehalten." Auf die Frage, ob er sich das Mittel mit der Absicht besorgt habe, um mit jungen Frauen zu schlafen, antwortete er: "Ja."

Cosby hatte im Jahr 2006 erreicht, dass das Zivilverfahren gegen eine nicht publik gewordene Summe eingestellt wurde und seine Aussagen unter Verschluss blieben - wegen des nun bevorstehenden Strafverfahrens gelangten sie dennoch an die Öffentlichkeit. Das könnte zu einem Problem für Cosby werden, schließlich werden Geschworene über Schuld und Unschuld entscheiden - und auch wenn sie sich strikt an die während des Verfahrens präsentierten Fakten halten müssen, so dürfte es doch eine Rolle spielen, welchen Cosby sie sehen werden, den braven und lustigen Fernsehonkel, der Opfer einer Verleumdungskampagne wurde, oder den Mann, der Frauen bedrängte. Es gilt zwar die Unschuldsvermutung, dennoch sagt Cosbys Anwältin Agrusa: "Wir müssen seine Reputation rehabilitieren." Sie weiß, dass ihr Mandant sich so makellos wie möglich präsentieren muss; zu prominent ist die Causa Cosby.

Den Anfang der Image-Verbesserung bestritt Cosby nun selbst mit diesem Radio-Interview. Er stilisierte sich darin zum Opfer von Rassismus und rachsüchtigen Frauen und gab an, beim Prozess möglichst nicht aussagen zu wollen. "Es gibt bei jeder Geschichte mindestens zwei Versionen, manchmal auch vier oder fünf", sagte er. "Ich will nicht dasitzen und andauend darüber nachdenken, ob ich mit einer wahrhaftigen Aussage ein Fass öffne, das meine Anwälte in Schwierigkeiten bringt." Er zitierte - ausgerechnet - die Frauenrechtlerin Gloria Steinem: "Die Wahrheit wird dich befreien, auch wenn sie dich vielleicht erst einmal anpisst."

Es dürfte in den kommenden Tagen weitere Interviews sowie Statements seiner Frau Camille und der Töchter Erinn und Ensa geben. Offen bleibt die Frage, ob sich Bill Cosby damit einen Gefallen tut. Er wirkte während des halbstündigen Interviews fahrig, er beantwortete Fragen nur halbherzig und schweifte immer wieder ab. Die zitierte Gloria Steinem selbst sagte danach der Washington Post: "Ich habe keine Ahnung, was er sich dabei gedacht hat. Es scheint mir, als hätten die Frauen, die ihn anklagen, eher das Recht, dieses Zitat zu verwenden."

Der Prozess ist auf zwei Wochen ausgelegt. Es heißt, dass der Medienrummel zu Beginn und bei der Urteilsverkündung so gewaltig sein dürfte wie vor 22 Jahren beim Mordprozess gegen den Schauspieler und Sportler O. J. Simpson. "Die Geschworenen werden ein Urteil fällen, das so oder so ausgehen wird", sagte Cosby im Interview. "Aber es gibt immer noch die öffentliche Meinung - da gibt es noch viel Arbeit, auch wenn der Prozess so endet, wie ich es hoffe."

Bill Cosby, so scheint es, fürchtet sich durchaus vor einer Gefängnisstrafe, aber nicht nur. Selbst wenn er freigesprochen würde, könnte es gut sein, dass sich die Schäden an seiner Statue nicht mehr reparieren lassen.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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