Umstrittene Überwachungsfirma:Privatdetektive im Herzzentrum

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Eine geschmuggelte Leiche, Sozialbetrug, illegale Transplantationen: An einer Privatklinik an der Schweizer Grenze sollen sich unglaubliche Dinge abspielen. Um Informanten unter den Mitarbeitern auszumachen, beauftragt das Herzzentrum Bodensee private Ermittler.

Von Christina Berndt und Frederik Obermaier

Der vermeintliche Journalist war gut getarnt: Er heiße "Peter Köhler" und arbeite für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk , erzählte er dem Arzt, außerdem komme er auf Empfehlung eines SWR-Journalisten. Auch eine Visitenkarte legte er vor. "Medienrecherche für Filmdokumentation" stand darauf, und: "in Kooperation mit Filmemacher Frank Jentsch", dazu eine Berliner Adresse.

Für den Arzt war das genug. Er begann von den Unregelmäßigkeiten zu erzählen, die an der Privatklinik am Bodensee geschehen seien, an der er viele Jahre lang gearbeitet hatte. Eine geschmuggelte Leiche hatte es dort offenbar gegeben, Sozialbetrug, wuchernden Schimmel an der Wand, illegal transplantierte Herzklappen, geänderte Arztbriefe und eine falsche Ärztin.

Warum sollte er auch nicht darüber sprechen? "Peter Köhler" hatte sich ja als Journalist vorgestellt; auch hat er dem Arzt offenbar zugesichert, dass er ihn nicht verraten werde. Das Ganze hatte nur einen Haken: Es war eine Lüge. "Peter Köhler" ist gar kein Journalist. Der Filmemacher Jentsch, der auf der Visitenkarte als Referenz angegeben war, hat noch nie von ihm gehört. Der SWR-Journalist ebenfalls nicht. Wie auch? "Peter Köhler" gibt es nicht.

"Peter Köhler" ist eigentlich ein Privatdetektiv

Aus Unterlagen, die der SZ und dem Schweizer Tages-Anzeiger vorliegen, geht hervor, dass er in Wirklichkeit Andreas F. heißt , Privatdetektiv ist - und im Auftrag eines Münchner Dienstleisters arbeitete, dessen Eigentümer schon einmal in Verruf geraten ist. Damals ging es um dubiose Methoden beim Ausspähen von Spitzenpolitikern - um geplante Sensoren in der Fußmatte von Franz Müntefering, um geplante Kameras vor Oskar Lafontaines Haus.

Das Herzzentrum Bodensee hatte die Münchner Firma CIM angeheuert, nachdem die Lokalpresse über Unregelmäßigkeiten an der Klinik berichtet hatte - und sich dabei offenbar auf Informationen von Klinikmitarbeitern stützte. Mittlerweile untersuchen Staatsanwaltschaften in der Schweiz und Deutschland die Vorwürfe. Und die gesetzlichen Krankenkassen prüfen, ob sie Behandlungen an dieser Klinik noch erstatten wollen und müssen. Zum Herzzentrum Bodensee gehören zwei Kliniken, nämlich das Herz-Zentrum in Konstanz und das Herz-Neuro-Zentrum im schweizerischen Kreuzlingen.

Gegründet hat CIM ein Mann namens Stefan Kiessling

Um die Informanten im eigenen Unternehmen ausfindig zu machen, hat das Herzzentrum Bodensee CIM engagiert, die wiederum den Auftrag offenbar an zwei Detektive aus Berlin und Zürich weitervergeben hat: jenen Andreas F. alias "Peter Köhler" und einen Ermittler namens Peter S.

CIM nennt sich selbst "Beratungsgesellschaft im Risiko- und Krisenmanagement", Geschäftsführer und Eigentümer ist ein Mann namens Stefan Kiessling. Gegründet hat er die Firma 2012, etwa zur gleichen Zeit, als sich eine andere Firma aus dem Überwachungsgeschäft zurückzog: sie hieß CMK und war jene Agentur, die 2010 Schlagzeilen gemacht hatte, weil Mitarbeiter im Privatleben etlicher Politiker herumgeschnüffelt haben sollen.

Von geplanten Sensoren in der Fußmatte von Franz Müntefering war damals im Magazin Stern die Rede, von Kameras vor Oskar Lafontaines Haustür. Laut Stern führte die Agentur "ein Doppelleben": "Sie tritt als Agentur mit Promifoto-Datenbank auf - und sie bietet daneben Unternehmen Recherchedienste aus dem Graubereich des Journalismus" an.

CMK hatte Aufträge von zahlreichen Medien bekommen - unter anderem soll das Münchner People-Magazin Bunte eine "journalistische Fotorecherche" zu Müntefering und Lafontaine in Auftrag gegeben haben. Von den unlauteren Methoden von CMK hat die Bunte nach eigenen Angaben aber nichts gewusst und hat dies stets bestritten.

Schmierige Tricks, Versteckspiel, Heimlichtuerei am Rande der Legalität

Wenn stimmt, was jene Ärzte erzählen, die von den vermeintlichen Journalisten angesprochen wurden, ist Kiessling den dubiosen Arbeitsmethoden treu geblieben. Nur der Firmenname hätte sich geändert: CIM statt CMK. Der Rest wäre identisch. die schmierigen Tricks, das Versteckspiel, die Heimlichtuerei am Rande der Legalität. Falsche Journalisten würden gut ins Bild passen.

"Es ist völlig inakzeptabel, wenn sich private Schnüffler als Journalisten ausgeben", sagt Michael Konken, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes. "Sie schaden damit massiv dem Ansehen des journalistischen Berufsstands und dem Vertrauen, das Informanten Journalisten entgegenbringen."

Auf Anfragen der SZ antworteten die beiden Detektive Andreas F. und Peter S. nicht. CIM-Chef Stefan Kiessling teilte mit, die von ihm "beigezogenen Recherche-Fachleute" seien angehalten, "im Rahmen der Gesetze zu agieren" - was sie auch getan hätten. Auch die Leitung des Herzzentrums Bodensee beharrt, die beauftragten Ermittler - "ehemalige Polizeibeamte" - hätten seriös gearbeitet. Die bespitzelten Ärzte seien vorbehaltlos und "von sich aus" dem Wunsch nach einem Hintergrundgespräch nachgekommen. Auch hätten die Ärzte die Erlaubnis zum Mitschneiden der Gespräche gegeben, was sonst ja strafbar wäre. Die Ärzte bestreiten das. Auf einen weiteren Punkt legt die Klinik besonderen Wert: Keinesfalls hätten sich die Ermittler als Journalisten ausgegeben - nur als jemand, "der gegenüber der Öffentlichkeit den Skandal medial, bildhaft und filmisch aufbereitet". Gemeinhin nennt man so etwas allerdings: Journalist.

Eine ausführliche Reportage zu dem Thema lesen Sie in der Dienstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung auf der Seite Drei oder digital.

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