Justiz in der Türkei:Lange Haftstrafen im Fall Şule Çet

Die Studentin war aus dem 20. Stock eines Hochhauses gestoßen worden. Zwei Verdächtige wurden zweimal freigesprochen, doch Frauenrechtsorganisationen erzwangen einen aufsehenerregenden Indizienprozess, der nun zu Ende gegangen ist.

Im Mai vor einem Jahr stürzte in Ankara die Studentin Şule Çet aus dem 20. Stock eines Hochhauses. Zwei Männer, mit denen sie den Abend verbracht hatte, wurden zweimal von der Justiz auf freien Fuß gesetzt.

Türkische Frauenorganisationen und die Angehörigen der 23-Jährigen erzwangen danach mit eigenen Gutachten einen landesweit beachteten Indizienprozess. Am Mittwoch hat ein Gericht in Ankara nun einen der Männer zu lebenslanger Haft wegen Mordes und zu zusätzlich zwölf Jahren wegen Vergewaltigung verurteilt. Der andere Mann erhielt wegen Beihilfe eine Haftstrafe von 18 Jahren.

Die beiden, 34 und 33 Jahre alt, behaupteten bis zuletzt, sie seien unschuldig und Şule Çet habe Suizid begangen. Frauengruppen begrüßten das Urteil. Die Plattform "Kadın Meclisleri" (Frauenräte) schrieb auf Twitter: "Die Entscheidung für lebenslänglich ist ein Präzedenzfall und unser Beweis dafür, dass Morde an Frauen nicht verschleiert und reingewaschen werden können."

Gewalt gegen Frauen ist in der Türkei ein verbreitetes Problem. Im vergangenen Jahr wurden der Statistik einer Frauenrechtsgruppe zufolge 440 Frauen von Männern getötet. In zwei von drei Fällen war der Täter der Ehemann, ein Freund oder ein naher männlicher Verwandter.

© SZ vom 05.12.2019 / csc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Der Fall der Şule Çet

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Von Christiane Schlötzer

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