Türkei:Geschmacklos

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Von Erdogan zum Nationalgetränk erklärt: Ayran. (Foto: Mavigogun)

Nicht nur Erdoğan zu beleidigen, kann richtig teuer werden - auch sein Lieblingsgetränk ist heilig.

Von Mike Szymanski

Nicht nur Recep Tayyip Erdoğan zu beleidigen, kann richtig teuer werden. Auch wer sich auf Kosten des vom heutigen Staatspräsidenten der Türkei zum Nationalgetränk erhobenen Joghurt-Drinks Ayran lustig macht, muss dafür Strafe zahlen. Da kennen die türkischen Behörden weder Freund noch Feind. Dies musste jetzt das staatliche Tee-Unternehmen Çaykur erfahren.

Çaykur wollte für seinen Eistee mit dem Namen Didi einen richtig coolen Werbefilm machen und hatte den Rapper Ceza engagiert. In dem Video thront er vor einem gedeckten Tisch, der sich wie von Zauberhand mit Köfte, gefüllten Weinblättern und anderen Köstlichkeiten der türkischen Küche füllt. Nur Ayran - das kommt bei ihm nicht auf den Tisch. "Ich habe es mit Ayran probiert", rappt er. "Ayran macht schläfrig."

Ayran, ein schlechtes Getränk?

Als Erdoğan noch Regierungschef war, hat er auch Getränkepolitik betrieben. Er wollte nicht, dass seine Türken zu viel Alkohol trinken. Der ist in seiner Regierungszeit richtig teuer geworden. Im näheren Umkreis von Moscheen ist der Verkauf verboten, was es in manchen, sehr frommen Vierteln Istanbuls zwar nicht unmöglich, aber mitunter beschwerlich machen kann, an Rakı heranzukommen. Als Alternative für Rakı fand Erdoğan jedenfalls den erfrischenden Ayran gut geeignet. Er erinnerte 2013 bei einem Gesundheitssymposium daran, dass die Türkei vor der Republikgründung schon mal unter Jubel Alkohol verboten habe, dann aber dem Mainstream erlegen sei. Bei dieser Gelegenheit sagte er auch: "Unser Nationalgetränk ist Ayran."

In der Geschichte des Landes ist es nun nichts Neues, derart auf die Trinkkultur Einfluss zu nehmen. Die Osmanen haben viel Kaffee getrunken. Erst als das osmanische Reich zerfiel und der Zugang zu den Kaffeeplantagen wegfiel, wurde aus der Türkei ein Teeland. Wer in Rize an der Schwarzmeerküste, wo der Produzent Çaykur seine Wurzeln hat, einmal im Teegarten des Unternehmens gesessen hat, kann nachvollziehen, dass man sich über Ayran lustig macht. Im Schatten der Bäume, hoch oben über der Stadt, wird Teetrinken zelebriert. Als Gruppe bekommt man den Teekocher auf den Tisch gestellt und bereitet sich das Getränk selbst zu. Wer will, kann bei dieser Gelegenheit sein Wissen über Agraringenieur Zihni Derin, den "Vater des Tees" ausbauen. Alles Tee, hier.

Çaykur jedenfalls muss jetzt eine Geldstrafe von umgerechnet 70 250 Euro bezahlen. Ayran sei "grundlos beleidigt" worden, berichtet die Zeitung Hürriyet. Auch werde den Konsumenten die "schlechte Botschaft" vermittelt, dass sie weniger davon trinken sollten.

Dies scheint nicht im Sinne des Vaters des Ayran zu sein.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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