Tot und lebendig:Der Klub der Untoten

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Jim Morrison lebt - wie Elvis, Kurt Cobain, Tupac Shakur und andere unruhige Geister der Popgeschichte.

Jochen Temsch

Auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise ist die Hölle los. Jeden Tag versammeln sich Neugierige und Althippies an der letzten Unruhestätte des Doors-Sängers Jim Morrison, trinken Schnaps, beschmieren die Nachbargrüfte und legen Joints nieder. Und manchmal hört man amerikanische Kurzurlauber schimpfen, warum diese Franzosen Morrison bloß unbedingt in der hintersten Ecke des Gottesackers beigesetzt haben, wo man ihn so lange suchen muss. Man solle ihn doch gefälligst neben den Eingang umbetten, dann käme man auch zügiger weiter zum Eiffelturm.

Wenn Morrison könnte, würde er wohl davonlaufen vor dieser penetranten Verehrerschar. Und wenn man dem ehemaligen Keyboarder der Doors, Ray Manzarek, glaubt, dann hat Jim Morrison genau das bereits zu Lebzeiten getan. Manzarek hat soeben in einem Interview mit der britischen Boulevardzeitung Daily Mail angedeutet, der Sänger habe seinen Tod vielleicht nur inszeniert. Kurz bevor Morrison am 3. Juli 1971 in einer Badewanne aus dem Leben schied, habe er Manzarek einen Prospekt von den Seychellen gezeigt und gesagt: "Wäre das nicht der perfekte Ort zum Flüchten, wenn jeder denkt, du wärst tot?". Mit dieser Vision eines sonnengegerbten Jim Morrison, der mit langen grauen Haaren unter Palmen herumgeistert, hat Manzarek alte Verschwörungstheorien neu angefacht.

Morrison ist Mitglied im "Club 27", einem exklusiven Zirkel verblichener Musiker, die alle - seltsam, seltsam! - im Alter von 27 abtraten. Dazu zählen auch: Brian Jones ( Rolling Stones), Jimi Hendrix, Alan Wilson ( Canned Heat), Janis Joplin und Kurt Cobain ( Nirvana). Bis auf Cobain starben alle in den Drogenjahren 1969 bis 1971. Cobain starb im Drogenjahr 1994. Obwohl bei allen diverse überdosierte Substanzen im Spiel waren, kursieren bis heute wüste Gerüchte über die wahren Umstände ihres Exitus. Zwar steht bei den meisten außer Frage, dass sie nicht mehr unter uns weilen, und Graffiti wie "Hendrix lebt!" sind eher auf das künstlerische Erbe bezogen, doch zumindest das FBI soll hier und da nachgeholfen haben, den jugendverderbenden Einfluss der Rockmusik final einzudämmen.

Auch um Elvis Presley, den berühmtesten Untoten der Popgeschichte, hat sich laut Verschwörungstheoretikern der US-Geheimdienst gekümmert. Elvis sei in einem Zeugenschutzprogramm verschwunden, weil er gegen die Mafia ausgesagt habe, lautet die hartnäckige These. Der angebliche Beweis: Elvis' Zweitname Aron steht auf seinem Grabstein falsch, mit zwei A geschrieben. So wird er dann auch immer wieder mal quietschfidel gesichtet, auf Graceland, an einer Wursttheke im Supermarkt oder - ähnlich paradiesisch wie Morrison verortet - auf Hawaii. Dort gäben all die Dahingegangenen eine vortreffliche Strandbar-Combo ab. Und Tupac Shakur könnte dazu rappen. Gläubige Fans behaupten, der 1996 erschossene Hip-Hopper sei nur untergetaucht. Tupac nannte sich auch Makaveli - ähnlich wie der Philosoph Machiavelli, der schrieb, man solle seinen Tod fingieren, um Feinde hinters Licht zu führen. Aus den Buchstaben von "Makaveli" lässt sich "Mak alive" bilden, und wenn man bestimmte Songs Tupacs rückwärts spielt, ergibt das angeblich eindeutige Botschaften. Doch zehn Jahre nach seinem Tod verpasste Tupac seine auf 2006 terminierte Wiederauferstehung. Dafür erschien ein Jubiläums-Album, das sich genauso phantastisch verkaufte wie Remixe auf Basis von posthum gefundenen Aufnahmen seiner Stimme.

Das ist die allzu irdische Seite der paranormalen Geschichten: Sie halten das Geschäft der Rechte-Inhaber am Laufen. Elvis Presley führt mit mehr als 40 Millionen Dollar Jahreseinkommen die Forbes-Rangliste berühmter, toter Spitzenverdiener an. Auch die anderen seligen Stars dürfen sich nicht etwa beim E-Harfenspiel auf ihrer Himmelswolke ausruhen. Jetzt muss eben Jim Morrison mal wieder ran. Gerüchtestreuer Manzarek ist zurzeit mit seiner Band auf Europatour und braucht die Aufmerksamkeit. Außerdem bereitet er einen Film vor. Inhalt: Die Wahrheit über Jim Morrison.

© SZ vom 08.07.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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