Tödlicher Arztfehler:Fatale Infusion im Krankenhaus

Lesezeit: 2 min

Vierjähriger Junge stirbt nach einem schwerwiegenden Behandlungsfehler - die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Ralf Wiegand

Die Staatsanwaltschaft hat nach dem Tod eines vierjährigen Jungen im Hamburger Kinderkrankenhaus Wilhelmstift Ermittlungen aufgenommen. Das Landeskriminalamt habe die Behandlungsunterlagen sichergestellt, sagte Rüdiger Bagger von der Staatsanwaltschaft. Der kleine Franjo S. war am Freitag gestorben, nachdem er wegen eines Behandlungsfehlers ins Koma gefallen war. Eine Narkoseärztin hatte dem Kind nach einem an sich harmlosen Routineeingriff eine viel zu hohe Menge Glukose verabreicht.

Das Kinderkrankenhaus Wilhelmstift. (Foto: Foto: ddp)

"Ein totaler Blackout, absolut unerklärlich", sagte Axel Hennenberger, Chefarzt im Wilhelmstift, über den Zwischenfall in seiner Klinik. Die Ärztin, die den schwerwiegenden Fehler begangen hatte, habe über 20 Jahre Berufserfahrung. Sie wird, ebenso wie die Angehörigen des Opfers, psychologisch und seelsorgerisch betreut. Die Ärztin wurde mindestens für die Dauer der Ermittlungen vom Dienst suspendiert.

Um 11.17 Uhr am vergangenen Freitag hatten die Ärzte den Tod des kleinen Franjo festgestellt, nachdem sie bereits zuvor ein Hirnödem diagnostiziert hatten, das "nicht mehr therapierbar" gewesen war, sagte Hennenberger. Der Junge galt seit Mittwoch als hirntot, die Eltern baten allerdings darum, die Geräte noch nicht abzuschalten. Am Donnerstag wurde Franjo noch getauft.

Der eigentliche Eingriff sei am Montag problemlos verlaufen. Franjo wurde wegen einer Vorhautverengung behandelt, bei kleinen Jungen ein Routineeingriff. Franjo bekam nach der OP allerdings Fieber, und ihm wurde übel. Ein Zäpfchen hätte nichts geholfen, deswegen habe die 48-jährige Narkoseärztin entschieden, dem Jungen eine Glukose-Lösung per Infusion zu verabreichen. Da der Junge eine fünfprozentige Zuckerlösung bekommen sollte, im Krankenhaus aber nur eine 40-prozentige Lösung vorrätig war, sollte die Infusion nur für kurze Zeit angelegt werden.

Das misslang. Hennenberger vermutete, die Ärztin könnte sich bei der Eingabe der Menge an jenem computergesteuerten Gerät, das die Infusion regelt, vertippt haben. Sie selbst konnte den Fehler nicht beheben, weil sie zu einem Notfall gerufen wurde. So verlor der Junge im Beisein von Mutter und Großmutter das Bewusstsein, ohne dass die fehlerhafte Infusion schnell genug korrigiert worden wäre.

"Wäre es nur eine Stunde früher bemerkt worden, hätte man sofort Insulin verabreichen können, um den Fehler zu beheben", sagte Chefarzt Hennenberger. So aber stieg durch die hoch konzentrierte Zuckerlösung Franjos Blutzuckerwert auf einen Wert, der zehnmal so hoch war wie normal. Es kam zu einer Schwellung des Gehirns, die das Stammhirn beeinflusste. Lebenswichtige Funktionen wie Blutdruck, Herz und Atmung waren davon betroffen.

Am Mittwoch wurde der Hirntod des Jungen festgestellt; auf Wunsch der Eltern schalteten die Ärzte die lebenserhaltenden Geräte zunächst nicht ab. Am Freitag, als der Körper des Jungen für einen Atemtest für einen kurzen Moment von der Sauerstoffversorgung getrennt wurde, habe sich die Herzfrequenz verlangsamt. Franjo starb an Herz- und Kreislaufversagen.

Das Krankenhaus kündigte an, die Einnahmen eines schon länger geplanten Kinderfestes den Eltern Franjos zukommen zu lassen. Dessen neunjähriger Schwester erklärte der Chefarzt selbst, dass ihr Bruder nicht wieder nach Hause kommen wird. "Ich habe ihr erzählt, dass er im Himmel bei den Engeln ist. Sie war sehr tapfer."

© SZ vom 14.08.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: