Texas:Ein Cowboy für den kleinen Mann

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Auf den Spuren von Arnold Schwarzenegger: der Ex-Country-Star Richard Friedman alias "Kinky" will Gouverneur von Texas werden, in Nevada geht ein Pornostarlett ins Rennen.

Reymer Klüver

Der Mann ist ein Cowboy. Eine Art von Cowboy. Er trägt einen schwarzen Stetson. Er trägt eine schwarze Weste, eine schwarze Hose und schwarze Stiefel aus Alligator-Leder. Das schwarze Hemd ist stets einen Knopf zu weit geöffnet, und am linken Mittelfinger trägt er einen fetten Silberring.

Lebende Legende: Kinky Friedman ist bereits Countrysänger, Witzbold und Krimiautor. Nun will er auch noch Gouverneur werden. (Foto: Foto: Reuters)

Er raucht Zigarren, wie sie auch Fidel Castro liebt, Montecristo No. 2, acht, zehn Stück am Tag. Er will das Glücksspiel erlauben und damit bessere Schulen finanzieren. Er ist für die Schwulenehe und gegen die Todesstrafe, er will dem mexikanischen Militär Prämien zahlen, um illegale Immigranten zu stoppen.

Früher war er ein Country-Star, dann ein Krimi-Bestsellerautor und immer bekennender Exzentriker. Jetzt will Richard Friedman, den alle nur Kinky nennen, Gouverneur von Texas werden.

Es dürfte eines der bizarrsten Rennen sein im amerikanischen Wahlkampf, an dessen Ende Anfang November das Repräsentantenhaus in Washington, ein Teil des Senats und 36 der 50 Gouverneursposten neu gewählt werden.

Es gibt zwar hier und da ein paar eher unkonventionelle Kandidaten. In Kalifornien tritt bekanntlich ein zum respektablen Politiker mutierter Bodybuilder an, in Nevada ein Pornostarlett, von dem man Gleiches wohl noch nicht behaupten kann.

Aber nirgendwo hat die Kandidatur eines unabhängigen Bewerbers die Kalkulationen der großen Parteien so durcheinander gewirbelt wie der Auftritt Kinky Friedmans im Republikanerland Texas.

Mit seinem Slogan "Why the hell not" ("Warum zur Hölle eigentlich nicht?") hat der 61-Jährige bereits den demokratischen Bewerber um jede Hoffnung gebracht, ins State House von Austin einziehen zu können. Langsam hat auch der Republikaner Rick Perry Grund, sich Sorgen zu machen.

In Umfragen führt er zwar mit 35 Prozent der Stimmen, Friedman kommt auf 21 Prozent. Das ist für einen Amtsinhaber denkbar mau. Und Perry ist unbeliebt, während sein unabhängiger Gegenkandidat, den Präsident George W. Bush einst eine "texanische Legende" nannte, mit seinen Sprüchen im Land immer bekannter und beliebter wird. "Das Rennen", meint Dallas Morning News, "ist völlig offen."

Gegen die Großen

Am Anfang hatte Kinky noch gesagt, dass er den Job als Gouverneur haben müsse, weil er für seine Garderobe den Platz im Gouverneurspalast brauche. Oder weil er acht seiner Cowboy-Freunde den Posten als Oberaufseher der texanischen Frauengefängnisse versprochen habe.

Doch dann merkte der Spaßmacher, dass die Leute das taten, was er sich erhofft hatte und kaum öffentlich einzugestehen wagte: Sie nahmen seine Kandidatur wirklich ernst. Wie zum Beispiel der Wirt des "Bullring" in der Rodeo-Stadt Fort Worth, der ihm im vergangenen Jahr zu Beginn seiner Kampagne sofort einen Scheck für den Wahlkampf ausstellte mit den Worten: "Ich bin die Arschlöcher leid, die mich und das Volk nicht repräsentieren, sie vertreten Konzerne wie AT&T oder Enron".

Spätestens da musste Kinky Friedman gemerkt haben, dass er einen Ton getroffen hatte, den viele in Texas hören wollten: gegen die Großen, die Etablierten, ein Cowboy für den kleinen Mann.

Friedman hat die Botschaft sehr wohl vernommen und sendet sie ins Wahlvolk zurück. "I'm for the little fellers, not for the Rockefellers", sagt er nun gerne bei seinen Auftritten, er sei für die kleinen Leute, nicht für die Milliardäre.

Im Mai gab er 137.154 beglaubigte Unterschriften im texanischen Innenministerium ab, mehr als dreimal so viele, wie er benötigt hätte, um als unabhängiger Kandidat auf den Wahlzettel zu gelangen. Seinen Anhängern rief er bei dieser Gelegenheit zu, dass sie diejenigen seien, die in Texas die Ehrlichkeit wiederherstellen würden.

So ein Satz klingt den Menschen in Texas nicht unbedingt ganz so hohl wie anderswo in den Ohren. In einem Bundesstaat, in dem der Enron-Konzern seinen Sitz hatte, der vor ein paar Jahren für einen der größten Bilanzfälschungsskandale der Wirtschaftsgeschichte verantwortlich war. In einem Bundesstaat, in dem der Chef der Republikaner im US-Repräsentantenhaus seinen Wahlkreis hatte, der das Mandat im Juni aufgeben musste, weil ihm Geldwäsche vorgehalten wird.

Und während sich die Kandidaten der etablierten Parteien mühen, ja nicht anzuecken, zieht Friedman geradezu Befriedigung daraus, zu provozieren. Das hat er ein Leben lang getan. In den siebziger Jahren hatte er, ein Sohn jüdischer Eltern, die aus Chicago nach Texas gezogen waren, eine Country-Band mit dem despektierlichen Namen Texas Jewboys gegründet und war mit noch provozierenderen Liedzeilen wie "Es gibt keine Juden wie Jesus mehr" ziemlich erfolgreich.

Seit den achtziger Jahren hat er 17 Bücher geschrieben, Kriminalromane, dessen Held ein sprücheklopfender, abgehalfterter Country-Musiker namens Kinky Friedman ist, der ganz nebenbei ein paar Verbrechen in New York aufklärt. So beliebt waren seine Realsatire-Bücher, dass ihn sogar Bill Clinton darum bat, ihn in einer kleinen Nebenrolle in einem seiner Bücher auftreten zu lassen.

"Ich bedaure nichts"

Und jetzt, nachdem Kinky aus dem Krimi-Business ausgestiegen ist und sich auf die Politik verlegt hat, klopft er Sprüche wie: "Ich war ziemlich oft high, und ich hatte was mit ziemlich vielen schönen Frauen. Und ich bedaure nichts."

Seine Wahlkampfauftritte gleichen Happenings. In Dallas hat er neulich einer Anhängerin seinen Namen auf die Brust geschrieben, und bei der Abgabe der Unterschriftenliste gab Liz aus Kerr County fröhlich zu Protokoll, dass sie Kinky am liebsten sofort heiraten würde. All das hat Demokraten und Republikaner dazu verleitet, Friedman zu unterschätzen.

Das Magazin New Yorker hat das Kinky-Phänomen bereits im vergangenen Jahr entdeckt und eine Begegnung Friedmans mit zwei Feuerwehrleuten geschildert, die sich über Einschnitte in ihre Pensionskasse beklagten.

"Das ist bullshit", sagte Friedman nur. Beide Feuerwehrleute wollen ihn nun wählen. "Ich will denen da oben eine Botschaft zukommen lassen", sagt einer der beiden, "und wenn er gewinnt, um so besser."

© SZ vom 26.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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