Tabakwaren und Jugendschutz:Flaute am Automaten

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Seit Januar läuft beim Zigarettenkauf ohne Altersnachweis nichts mehr - nun sind die Umsätze eingebrochen.

Claudia Fromme

Mangelnder Aufklärungswille jedenfalls kann keinem vorgeworfen werden.

Ohne Altersnachweis per Chipkarte gibt es am Automaten keine Zigaretten mehr. (Foto: Foto: dpa)

Im Kino laufen seit Wochen Werbespots, in denen wahlweise ein Kung-Fu-Kämpfer auf einen Zigarettenautomaten eindrischt oder ein Milchgesicht versucht, einen solchen mit dem Moped umzufahren.

Die Botschaft: Ohne Altersnachweis per Chipkarte keine Zigaretten.

Es gibt Kurzfilme auf MyVideo, Plakate und eine eigene Website. Marktforscher beschieden der Tabakbranche sogar, dass 18 Millionen Raucher in Deutschland reif sind für den Jugendschutz.

Soweit die Theorie. In der Praxis ist der Umsatz an den Automaten durch die Kartenpflicht seit dem 1. Januar dramatisch eingebrochen.

Der Bundesverband Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller (BDTA) spricht von fast 40 Prozent Umsatzverlust für Außenautomaten im Januar. In den ersten Tagen des Jahres waren es sogar 70 bis 80 Prozent.

Natürlich sind unter den unfreiwilligen Nichtrauchern auch Jugendliche unter 16 Jahren. Das ist gut so, sagt Carsten Zenner, Geschäftsführer des BDTA, die Umsetzung des Jugendschutzgesetzes sei ja Sinn der 300 Millionen Euro teuren Umrüstung gewesen. Gleichwohl hätten Befragungen der Automatenbetreiber gezeigt, dass es sich beim Großteil der weggebrochenen Kundschaft an den 500.000 Automaten im Land um Erwachsene handelt.

Ein Drittel der Tabakwaren wird an Automaten gekauft

Gründe gibt es viele, Zenner hört sie jeden Tag. Kürzlich brüllte ein Mann in den Hörer, dass er 64 sei und seit 40 Jahren rauche. Unverschämt sei es, dass er nachweisen soll, dass er schon 16 ist. Er denke nicht daran, sich eine Chipkarte zu besorgen. Andere hätten zwar eine, nutzten sie aber nicht, sagt Zenner. Etwa aus Angst, überwacht zu werden. Dabei werde nur die Altersinformation abgerufen.

Viele kennen die Kampagne ,,Karte rein. Packung raus!'', sagt Zenner, aber dass ohne Karte mit dem Geldkartenchip tatsächlich nichts geht, merkten sie erst am Automaten. Die Karte muss bestellt werden, und das dauert. Zenner geht davon aus, dass sich die Lage an den Außenautomaten bis Ende März normalisiert, in der Gastronomie früher, da helfe das Personal mit Karten aus. Gleichwohl werde man das Jahr mit einem Minus beschließen. Ein Drittel der Tabakwaren in Deutschland wird an Automaten gekauft.

Ist der Raucher willig, spielt die Bank noch lange nicht mit. Die eine Million Kartenkunden der Citibank etwa haben am Automaten keine Chance; die US-Bank will ihre Karten nicht mit Geldkartenchips versehen. Kundenbefragungen hätten ergeben, dass kein Interesse besteht, sagt Sprecher Rüdiger Stahlschmidt. Zwei bis drei Euro kostet es, eine Karte umzurüsten. Viele Banken holen sich das Geld vom Kunden zurück; bis zu zehn Euro im Jahr werden fällig.

Kunden der Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken müssen nicht ordern, die Institute versehen seit 2005 alle EC-Karten automatisch mit Chips. Viele Banken verzeichnen derzeit eine ,,starke Nachfrage'' nach Chipkarten. Gab es bei der Commerzbank 2006 pro Monat nur 900 Anfragen, lagen im Januar 11000 Bestellungen vor.

"Wichtige Lücke im Jugendschutz geschlossen"

Ist die Chipkarte für die Tabakindustrie bislang ein Misserfolg, sehen andere sie sehr positiv. Etwa die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing. Eine ,,wichtige Lücke im Jugendschutz'' sei nun geschlossen, da mehr als 60 Prozent der Jugendlichen ihre Zigaretten bislang am Automaten bezogen, sagt sie. Ob Jugendliche nun versuchen, Zigaretten im Laden zu kaufen, weiß Dieter C. Rangol nicht. Die Kartenpflicht habe dem Handel aber einen ,,kleinen Schwung'' beschert, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands des Tabakwareneinzelhandels. Zahlen gebe es erst Ende Februar.

In Sektlaune ist man indes bei der Initiative Geldkarte. Seit zehn Jahren gibt es die Karte, beliebt war sie nie. Um etwa Bustickets zu zahlen, muss man die Karte bei der Bank aufladen. Vielen Kunden ist das zu kompliziert: 64 Millionen Karten mit Zahlchip sind derzeit im Umlauf, nur fünf Prozent der Kunden nutzen die Funktion. Das werde sich nun ändern, meint Volker Koppe von der Initiative Geldkarte.

Am Zigarettenautomaten hätten im Januar fast 20 Prozent der Käufer die Geldkarte nicht nur als Altersnachweis, sondern auch zum Bezahlen genutzt. Dieser Trend werde sich in anderen Branchen fortsetzen. Dass eine Zwangsverordnung die Geldkarte nun zu neuen Ehren bringt, sei ihm nicht unrecht, sagt Volker Koppe.

© SZ vom 3.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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