Swingerschiff auf dem Bodensee:Streit um schwäbisches Loveboat

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Jahrgang 1937 und immer noch begehrt: die "MS Schwaben", die sich für Aktivitäten aller Art mieten lässt. (Foto: oh)

Auf der "MS Schwaben" soll eine Swinger-Party steigen, doch am Bodensee regt sich erheblicher Widerstand. "Unanständig" schimpfen Lokalpolitiker, der Sexreise-Veranstalter wittert Prüderie und kleinbürgerliches Denken

Von Max Hägler, Konstanz

Nichts gewusst zu haben, diese Ausrede gilt in dem Fall nicht. Da wären, ganz grundsätzlich und recht akademisch, die Orgien des Dionysos. Und spätestens seit Michel Houellebecq "Die Möglichkeit einer Insel" aufzeigte und Verona Feldbusch in der TV-Show "Peep!" die Lust der Deutschen zu ergründen versuchte, weiß wohl jeder, dass manche Menschen mitunter gern Sex mit mehreren haben. Die spezielle Spielart des einvernehmlichen Tausches fester Partner innerhalb dieses Verhaltensmusters nennt man wiederum Swingen. Im französischen Cap d'Agde passiert das, hier ließ sich Houellebecq inspirieren; laut einschlägiger Internetforen treffen sich in Hessen manche zum Grünkohl-Essen in Verbindung mit Partnertausch; in Stuttgart wiederum fährt alle paar Monate ein "unverschämter Zug" mit Separées für lebenslustige Pärchen.

Überall Sex also. Wieso nicht auch auf dem Wasser, dachte sich vor einigen Jahren eine Gruppe namens "Dreamteam Erotik Events" aus dem bayerischen Friedberg - und ersann eine Erotikparty auf dem Bodensee. Einige Zeit schipperte einmal im Jahr ein Kahn zum Zwecke des intensiven körperlichen Vergnügens auf dem Bodensee. Vielleicht auch weil der Name der Veranstaltung so neutral wie möglich gewählt war ("Das Schiff"), hielt sich die Aufmerksamkeit in Grenzen. Doch nun heißt es: frivol und frevelhaft!

Erotische Kleiderordnung sorgt für Wirbel

Dabei sorgte bislang nur der Zustieg für Wirbel am Steg, angesichts der Klamotten. Das kleine Schwarze, Hot Pants, Lack, Leder oder Ketten-Outfits sind für die Damen vorgeschrieben. Die Herren wiederum dürfen auch zum Schottenrock greifen oder "wenn es Deine Figur zulässt" mit schwarzer Hose, nacktem Oberkörper und Fliege erscheinen.

Auch in diesem Sommer soll die MS Schwaben wieder in See stechen, hochgerüstet mit sechs Tanzstangen, mehreren Dancefloors, einer Dildoausstellung - was Mann und Frau eben so brauchen für eine Vergnügungsfahrt. 178 Euro würde das für ein Pärchen kosten. Doch diesmal gibt es plötzlich Widerstand. "Unanständig" sei das, schimpft die langjährige CDU-Kommunalpolitikerin Magda Krom vor einigen Tagen. Und plötzlich begann ein Gerede über die angeblich so schmuddeligen Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) - in der Stadt und bald am ganzen Ufer. Wasser und Erotik - es ist eben auch ein wunderbar süffiges Thema. Selbst die nüchterne Neue Zürcher Zeitung kam da ins Dichten. "Es muss wonniglich sein, auf den Wellen der Lust über Wasser zu gleiten", schrieb der verzückte Reporter. Auch hübsch der Tages-Anzeiger aus Zürich: "Das Schiff ist eine Swinger-Party, die 2014 einen Interruptus schon Monate vor dem Höhepunkt haben wird." Tatsächlich sieht alles nach einer Unterbrechung aus, zumindest ab dem kommenden Jahr.

Vertrag mit den Swingern soll gekündigt werden

Die BSB-Geschäftsführerin Petra Pollini versuchte die Nörgler noch der prüden Doppelmoral zu entlarven. Schon beim Lack- und Leder-Schiff, einem anderen einigermaßen ungewöhnlichen Angebot, wolle angeblich keiner mitfahren - "doch alle wollen sie gucken", sagte sie dem Südkurier. Schon mit dieser mittlerweile etablierten Rundfahrt habe man insofern "einen wunderbaren Lichtblick" in die Seenlandschaft gebracht. Und auch bei dem Swinger-Angebot sei alles legal; keiner werde gezwungen mitzufahren, selbst die Besatzung des Schiffes arbeite in dieser Nacht nur freiwillig. Einen Verstoß gegen die Vermietbedingungen könne sie nicht erkennen, erklärte die Managerin.

Doch die Debatte wurde immer lauter. "Da kann's noch so klinisch rein gesäubert sein - der Swingerduft läg für meine Nase trotzdem in der Luft", heißt es in einem Südkurier-Leserbrief. Irgendwie musste sich dann auch der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt dazu verhalten, denn die MS Schwaben und die Bodensee-Schifffahrtsbetriebe, sind eine Tochtergesellschaft der Konstanzer Stadtwerke. Und im Übrigen ist bald Kommunalwahl. Wegducken geht da nicht. Die BSB möge prüfen, ob der Vertrag mit den Swingern gekündigt werden könne, forderte der CDU-Politiker also. Und künftig sollten keine kommerziellen Sex-Veranstaltungen auf den Schiffen mehr stattfinden.

Was insofern interessant ist, als Konstanz eigentlich eine durchaus wilde Vergangenheit hat. Vor 600 Jahren wurde in Konstanz von Papst Johannes XXIII. ein Konzil einberufen. Vier Jahre diskutierten die Geistlichen über Wege aus der Kirchen-Spaltung und die Auswüchse der Ketzerei. Viele Tausend Männer kamen da zusammen. In der Geschichtsschreibung finden sich verschiedene Belege, dass auch viele Damen in die Stadt gekommen waren - um den Gästen sexuelle Befriedigung zu verschaffen. Mehr als 700 Prostituierte zählte der Konzil-Schreiber. Ausgerechnet am Hafen gibt es eine Statue dazu: Neun Meter hoch ist die aus Beton gegossene "Imperia", die mit tiefem Dekolleté und einem nur knapp verhüllendem Kleid an die Kurtisanen des Konzils erinnert. Stolz und aufrecht steht sie und wacht ein wenig spöttisch blickend über die Schiffe, links und rechts in der Hand jeweils ein kleines Männlein. Angeblich ist es das weltgrößte Denkmal für eine Hure - es hat sich mittlerweile zu einem Wahrzeichen der Stadt entwickelt. Initiiert hatten das vor 20 Jahren übrigens: die Bodensee-Schiffsbetriebe.

Freunde der Freizügigkeit wehren sich

In den Zeiten vor dem Internet wäre die Debatte trotzdem eingeschlafen und die Swinger wären wohl auf den nächsten See ausgewichen. Doch in den sozialen Netzwerken wehren sich die Freunde der Freizügigkeit nun. Mit historischen und bürgerrechtlichen Argumenten: "Wir müssen leider gerade erleben, wie wir zu Wahlkampfzwecken missbraucht werden", klagen die Party-Veranstalter.

Und weil wohl tatsächlich einige ernstzunehmende Gäste der Aufforderung gefolgt sind, sich zu "wehren" und die Stimme zu erheben gegen "Intoleranz und kleinbürgerliches Denken", hat sich Oberbürgermeister Burchardt per Twitter der Community erklärt: "#swingerschiff: Damit das klar gesagt ist: Ich bin Schirmherr des CSD und habe absolut nichts gegen Swinger-Events." Es gehe in dem Fall nicht um Parteipolitik, nicht um Toleranz, nicht um Prüderie oder Anstand. Sondern "um das Geschäftsmodell eines der größten Tourismus-Unternehmen" des Bundeslandes. Im Unternehmen selbst legt man allerdings Wert auf Vertragstreue. Am Donnerstag teilte die BSB nach einer Beiratssitzung mit, dass alle Charter-Verträge eingehalten würden: Die Party kann steigen. Aber vielleicht nur noch dieses Mal. Denn man arbeite an neuen Regeln für die Mieter, hieß es auch.

© SZ vom 14.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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