Stretchlimousinen:Achtmeterachtzig Party

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Stretchlimousinen, die man für Partys mieten kann, sind auch in Deutschland beliebt, wie hier in Dachau bei München. (Foto: DAH)

Sie werden gerne gemietet, für Partys, Junggesellenabschiede oder Hochzeiten: extralange Stretchlimousinen. Doch nach dem schweren Unfall in den USA mit 20 Toten fragen sich viele, wie es um die Sicherheit dieser Fahrzeuge steht.

Von Magdalena Pulz

Von all seinen Autos mag Michael Kayal den "Dodge Charger" am liebsten. Denn diese Stretchlimousine von Chrysler ist einzigartig in Europa: Der Rumpf bordeauxrot, Schnauze und Dach schwarz, 8,80 Meter lang, zwei sich nach oben öffnende Flügeltüren und eine Innenausstattung mit allem möglichen Klimbim. 140 Euro kostet eine Stunde Fahrt in dem Dodge. Kayals Limousinenservice ist einer von mehr als 200 Unternehmen, die in Deutschland solche Fahrten anbieten.

Die Idee, einen Stretchlimousinen-Service aufzubauen, kam Michael Kayal und seiner Frau vor 15 Jahren - am Tag ihrer Hochzeit: Damals haben sie sich eine weiße Stretchlimousine gemietet, Modell Lincoln Town Car, samt Chauffeur versteht sich. Doch die Fahrt war eine Enttäuschung: Der Chauffeur kam in Schlappen und das Auto hatte nur ein Überführungskennzeichen; nicht gerade eine vertrauenserweckende Erfahrung. Das wollten Kayal und seine Frau mit ihrer Firma besser machen. Vor elf Jahren haben sie die erste Stretchlimousine gekauft, heute besitzen sie acht Stück.

Der schwere Stretchlimousinen-Unfall in den USA am Wochenende ist natürlich ein großes Thema. Bei dem Unfall waren alle 18 Menschen, die im Fahrzeug saßen, gestorben, zudem zwei Passanten. Der Unfall passierte, weil die Limousine in ein geparktes Auto fuhr. Michael Kayal erklärt sich die hohe Opferzahl dadurch, dass die Gäste in dem Auto unangeschallt waren und daher beim Aufprall ungebremst nach vorne geflogen seien. "So haben die Bilder jedenfalls ausgesehen", sagt Kayal. Was tatsächlich passiert ist, ermittelt die Polizei noch. Klar ist, dass die in den Unfall verwickelte Stretchlimo zuvor eine technische Prüfung von Karosserie und Bremsen nicht bestanden hatte.

Am Mittwochabend wurde bekannt, dass gegen den Betreiber der Limousinen-Firma Untersuchungshaft angeordnet wurde.

In Deutschland sind die Regeln für Stretchlimousinen strenger als in den USA: Die Mietfahrzeuge müssen zum Beispiel einmal im Jahr vom TÜV überprüft werden, doppelt so oft wie normale Pkw. Außerdem dürfen laut ADAC nur acht Fahrgäste mitfahren, egal, wie lang das Auto ist. Sonst müsste die Stretchlimousine mit Stehplätzen, Haltegriffen und Notausgang ausgestattet werden - genau wie ein Bus. Daneben gilt wie in jedem Pkw auch in Stretchlimos die Anschnallpflicht.

Aber will nicht jeder, der eine Stretchlimo mietet, sich oben aus dem Dachfenster quetschen und die Arme in den nächtlichen Fahrtwind halten? "Bei mir gibt es das nicht", sagt Kayal. Ein Dachfenster hätte daher auch keines seiner Autos. Und wenn er sie hätte, würde er sie zukleben. Außerdem lässt er seine Fahrer vor der Fahrt kleine Ansagen machen, wie im Flugzeug: Wo ist die Musikanlage, wo steht der Sekt, wie funktionieren Becken- und Dreipunktgurte. Zwischen Chauffeur und Partygästen gebe es keine Trennwand, so kann er immer den Überblick behalten. Der Schlüssel seien "humorvolle, aber deutliche Ansagen".

Wer sich nicht anschallt, haftet selbst

So eine Einweisung ist theoretisch auch Pflicht, so der Berliner Stretchlimo-Unternehmer Heiko Hofmann. Er befestige sogar laminierte Zettel an den Fensterscheiben, um an die Anschnallpflicht zu erinnern. Wenn das Unternehmen darauf hinweist, sind die Mitfahrer nämlich selbst haftbar, wenn sie unangegurtet angehalten werden oder in einen Unfall geraten.

Aber ist die Fahrt in einer Stretchlimousine überhaupt gefährlicher als in einem normalen Auto? Der renommierte Unfallforscher Siegfried Brockmann glaubt das nicht. Statistiken darüber gibt es nicht, sagt Brockmann. Der Anteil der Stretchlimousinen auf deutschen Straßen ist verschwindend gering. Ihm ist kein größerer Unfall bekannt. Klar, die Stretchlimos seien länger und da müsse sich ein Fahrer beim Abbiegen dreimal vergewissern. Aber das Problem hätten größere Lieferwagen auch. "Im Endeffekt liegt es immer am Fahrer und am Tempo", sagt Brockmann. Letzteres ist bei Stretchlimos meist sowieso eher niedrig. Die ausgedehnte Fahrt ist schließlich Teil des Vergnügens. Das erzählt auch Michael Kayal: "In der Stadt gibt es eigentlich immer zwei Spuren und man kann gemütlich 30 Stundenkilometer fahren". Ein Tempo eben, bei dem der Sekt nicht überschwappt.

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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