Strafmaß gegen Bill Cosby:Ohne Reue

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Er war der Vater der Nation, eine amerikanische Legende. Doch nun muss Bill Cosby ins Gefängnis. (Foto: Reuters)

Bill Cosby muss wegen sexuellen Missbrauchs für mindestens drei Jahre ins Gefängnis. Das Urteil dürfte ein Signal sein, für all die anderen Prozesse mit prominenten Beschuldigten.

Von Jürgen Schmieder, Norristown/Los Angeles

Drei bis zehn Jahre. Das ist die Gefängnisstrafe, die Richter Stephen O'Neill am Dienstag gegen den Entertainer Bill Cosby wegen sexuellen Missbrauchs verhängt hat. Es ist im US-Bundesstaat Pennsylvania üblich, das Strafmaß als Zeitfenster festzulegen, im konkreten Fall bedeutet das: Der 81 Jahre alte Cosby kann nach frühestens drei Jahren eine Freilassung beantragen.

Man muss bei diesem Fall stets einen Schritt näher treten und dann wieder zwei zurück machen, um aufgrund der vielen Details zu verstehen, welches Gesamtbild präsentiert wird. Die Länge der Strafe besagt, dass Cosby sie nicht in einem Bezirksgefängnis oder gar unter Hausarrest wird absitzen dürfen, sondern in eine staatliche Anstalt muss - gegebenenfalls sogar in Einzelhaft. O'Neill hat auch verhängt, dass Cosby für den Rest seines Lebens als gewaltbereiter Sexualstraftäter registriert sein muss und deshalb zum Beispiel keinen Besuch von seinen Enkeln empfangen darf. Und er hat entschieden, dass Cosby bis zu einer möglichen Berufungsverhandlung nicht gegen Kaution freikommt. Das ist die wohl bedeutsamste Entscheidung: Die Strategie der Verteidiger war es gewesen, einen Hausarrest zu erwirken und dann möglicherweise die Verhandlungen derart zu verzögern, dass Cosby möglichst lange ein freier Mann bleiben könnte. Nun aber verlies er den Gerichtssaal in Handschellen und wurde direkt in ein Gefängnis in der Nähe von Philadelphia gebracht.

Die Geschworenen hatten Cosby im April für schuldig befunden, 2004 die damalige Uni-Mitarbeiterin Andrea Constand betäubt und sexuell missbraucht zu haben. Insgesamt werfen ihm knapp 60 Frauen vor, sie genötigt, missbraucht oder gar vergewaltigt zu haben, dieser Fall jedoch war der einzige, bei dem Cosby strafrechtlich belangt werden konnte. Beim ersten Prozess vor zehn Monaten waren die Geschworenen nach tagelanger Beratung hoffnungslos festgefahren, erst im zweiten Anlauf wurde Cosby für schuldig befunden.

Es ging nun einzig um das Strafmaß - und um das Image von Bill Cosby. Der war ja mal ein moralisches Vorbild, ein Heiliger, der Vater der Nation, in der New York Times wurde er 1987 gar als "der einflussreichste Prediger in Amerika" bezeichnet. Es ist viel passiert seit diesem Artikel, mit Cosby, aber auch mit der Welt. Die Enthüllungen über Produzent Harvey Weinstein oder Schauspieler Kevin Spacey haben Ende 2017 die "Me Too"-Debatte ausgelöst und gezeigt, wie schamlos einige Prominente ihren Einfluss missbraucht haben. Der Richter habe, so Staatsanwalt Kevin Steele, mit dem Strafmaß im Fall Cosby eine Botschaft an die Welt zu senden, dass niemand über dem Gesetz stehe. Das Opfer Andrea Constand sagte lediglich: "Ich bitte um Gerechtigkeit, die das Gericht für angemessen hält."

Was fehlt in dem Bild, das sich der Richter gemacht hat, ist eine Aussage von Cosby. Der Schauspieler hat andere für sich reden lassen, seinen Sprecher Andrew Wyatt zum Beispiel, der den Prozess nach der Bekanntgabe des Strafmaßes als den "rassistischsten in der Geschichte dieses Landes" schimpfte, etliche Beweismittel infrage stellte und Berufung ankündigte. Cosby hätte Reue zeigen und sich erklären können. Er hätte sich entschuldigen können, bei Constand und den anderen mutmaßlichen Opfern. Cosby, der als Heiliger immer wieder über Moral und die Konsequenzen des eigenen Handelns gesprochen hatte, er schwieg. Er tat das nicht, weil er aus Scham lieber nichts sagen wollte, er tat es aus rein taktischen Gründen. Ein Schuldeingeständnis, so die Haltung der Anwälte, wäre ein Nachteil in der Berufung gewesen.

Es hätte mir die Welt bedeutet, wenn er sich entschuldigt hätte", hatte das einstige Model Janice Dickinson gesagt. Sie hatte während des Prozesses ausgesagt, vor mehr als 30 Jahren von Cosby betäubt und vergewaltigt worden zu sein, beim Verkünden des Strafmaßes war sie im Saal.

Es ist, das darf man nicht vergessen, lediglich ein Urteil in einem konkreten Fall. Es dürfte jedoch als Signal interpretiert werden für all die Prozesse, die nun auf prominente Beschuldigte zukommen: Niemand steht über dem Gesetz - auch niemand, der zuvor heilig gesprochen worden ist.

© SZ vom 26.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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