Stilkritik:Nummernschild

Über Ästhetik und Funktionalität eines herkömmlichen deutschen Autokennzeichens. Sowie seine unmöglichen Alternativen.

Von Max Scharnigg

Man braucht schon eher viel Tagesfreizeit, um freiwillig über die ästhetischen Qualitäten von Kfz-Kennzeichen nachzudenken. Denn eigentlich hängen die Dinger nun mal nach Schilderart herum, sind zweckinformativ und amtsfunktional, und wenn man ein Auto anmeldet, staunt man höchstens darüber, dass die Preise für Stanzblech so rapide anziehen. Aber natürlich gibt es Menschen, die jedem Zentimeter ihres Kraftfahrzeugs huldigen und denen das banale Kennzeichen als Schandfleck der Gesamtkarosse gilt. Zu diesen gehört, wie zu erfahren war, der Herr Stoschek, der als Chef eines Coburger Autoteilzulieferers ja sogar Fachinteresse vorschützen kann. Sein Unmut über das starre Blech, das so wenig mit der Form seines Porsches harmonierte, löste er nach Gutsherrenart, indem er kurzerhand ein Klebekennzeichen anbrachte. Das erfüllt auf den ersten Blick alle Formalien, schmiegt sich an die Sportwagenlippe und hält den cw-Wert so, wie er im Windkanal ausgetüftelt wurde. Um nichts anderes als Ästhetik und Stromlinie sei es ihm gegangen, beteuert der Mann, nachdem ihm ein Strafbefehl ins Haus flatterte. Denn Klebekennzeichen sind verboten und werden nur gelegentlich an besonderen Oldtimertypen geduldet. Das hat mit einer weiteren Besonderheit dieser Schilder zu tun: Blitzerkameras können die Nummern darauf nicht immer fehlerfrei ablichten. Oldtimerfahrer interessieren Geschwindigkeitsübertretungen selten, Porschefahrer hingegen sehr, so die Überlegung der Staatsanwaltschaft, die den millionenschweren Strafzettel erarbeitete. Und das war nicht die letzte schlechte Nachricht für Herrn Stoschek in dieser Sache. Klebekennzeichen hinterlassen nämlich, wie in Oldtimerforen zu lesen ist, beim Abziehen ganz hässliche Spuren am Lack.

© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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