Stars im Umweltrausch:Der Glamour von Grün

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Cameron Diaz fährt Elektroauto, Leonardo DiCaprio sponsert Solardächer - Hollywood entdeckt den Umweltschutz.

Tanja Rest

Hinterher hatten alle wieder mal verdammt gut ausgesehen. Pierce Brosnan kam perfekt frisiert in Lederjacke, Halle Berry mit ihrem neuen Model-Freund, Cindy Crawford war im Freizeitlook unwiderstehlich, an der Hand beide Kinder wie kleine Abziehbilder ihrer selbst.

Daryl Hannah im Kampf für den Umweltschutz (Foto: Foto: AP)

Daryl Hannah trug eine sehr coole Ray Ban zu schwarzem Neoprenanzug und rosa Surfbrett; ihre Zöpfe waren mit dieser Nachlässigkeit geknüpft, die sich nur durch lange Übung erreichen lässt. Daryl Hannah sagte: "Ein Verstoß gegen die Luftschutz-Kriterien ist für mich und alle hier Versammelten nicht hinnehmbar."

Am vergangenen Sonntag demonstrierte Hollywood gegen den Bau einer Erdgas-Anlage vor der Ostküste, und hätten die Agenturfotografen ihre Bilder nicht betextet, der Auflauf von Stars am Strand von Malibu wäre als besonders hippe Party durchgegangen.

Julia Roberts als Mutter Natur

Es hat eine Weile gedauert, bis es das Thema in die Bewusstseins-Charts geschafft hat. Der Spritpreis musste steigen, "Katrina" musste New Orleans verwüsten. Der gescheiterte Präsidentschaftskandidat Al Gore musste erst der Star eines Dokumentarfilms über die Klimakatastrophe werden und mit seiner "Unbequemen Wahrheit" vier Millionen Zuschauer in die Kinos eines Landes holen, dessen Regierung das Kyoto-Protokoll noch immer nicht unterzeichnet hat. Doch jetzt ist es soweit: Amerika entdeckt den Umweltschutz, und Hollywood ist ganz vorne mit dabei.

Im Mai dieses Jahres - vier Monate, bevor der Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, die weltweit schärfsten Gesetze zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes verabschiedete - brachte das Magazin Vanity Fair eine "Grüne Ausgabe" auf den Markt.

Um die Titelzeile "A New American Revolution" gruppierten sich moosfarben Al Gore, Robert F. Kennedy Junior und George Clooney, gekrönt von Julia Roberts als Mutter Natur, einen Lorbeerkranz im Haar. Julia Roberts war als Aktivistin für den grünen Zweck zuvor nicht groß aufgefallen. Im Heft erfuhr man, dass sie ihre eigene Tasse zu Starbucks mitbringt, Plastiktüten recycelt und ihre Zwillinge in Öko-Windeln steckt. Das war nicht sonderlich beeindruckend, aber darum ging es auch nicht. Es ging darum, dass Umweltschutz plötzlich das bezauberndste Lächeln der Welt trug.

90 Minuten Buße

Das traditionell linke Hollywood hat schon immer gern davor gewarnt, was alles schiefgehen kann, wenn der Mensch in der Natur rumpfuscht. Bisher war das allerdings meist nur ein Vorwand, um es auf der Leinwand so richtig krachen zu lassen - sei es bei "King Kong", "Jurassic Park" oder in "The Day after Tomorrow", wo Roland Emmerich die Klimakatastrophe in Gestalt opulenter Tornados, Flutwellen und einer neuen Eiszeit aufs sündige Amerika losließ.

90 Minuten Buße: Der ökologisch motivierte Plot war die Ersatzhandlung einer Nation, die als größter Umweltverschmutzer der Welt feststeht und sich darum nicht weiter scherte. Die Stars dieser Filme streiften sich ihr grünes Bewusstsein über wie einen geliehenen Mantel - wenn die PR-Kampagnen gelaufen waren, verschwand es schnell wieder im Fundus.

Als Robert Redford 2001 vor laufender Kamera sagte, George W. Bush sei in Fragen der Umweltpolitik ein "entsetzlicher Ignorant", konnte er nicht mit großem Echo rechnen. Mittlerweile gehören solche Aussagen in Hollywood zum guten Ton: Grün hat Glamour.

Am besten lässt sich der Imagewandel an Al Gore ablesen, der in seiner Zeit als Vizepräsident als ökologisch korrekter Langweiler galt und durch den Boom am Box Office plötzlich in den Ruf eines charismatischen Erfolgstypen gekommen ist. Manche reden sogar wieder von der Präsidentschaft.

Angelina Jolie im Elektroauto

Die Stars stürzen sich auf das Thema, als gäbe es einen Oscar zu holen. Leonardo DiCaprio hat eine eigene Öko-Website eingerichtet, sponsert Solardächer und produziert mit "11th Hour" gerade eine Dokumentation über bedrohte Ökosysteme. George Clooney prangert mit seiner Kampagne "Oil Change" die Abhängigkeit von der Ölindustrie an, Daryl Hannah wurde in einem Park von Los Angeles zum Verlassen eines Baumes gezwungen, auf dem sie gegen die Vernichtung von Grünflächen protestierte.

Brad Pitt moderiert eine sechsteilige Fernsehserie über umweltverträgliche Architektur, Angelina Jolie, Charlize Theron und Cameron Diaz fahren bei Partys im Elektroauto vor. Die "Alien"-Jägerin Sigourney Weaver wiederum hat Anfang Oktober bei den Vereinten Nationen in Sachen Schutz der Tiefsee vorgesprochen.

"Die rosa Armbändchen waren gegen Brustkrebs, die gelben gegen Hodenkrebs, die hellblauen für Tsunami-Opfer, und sie alle wurden abgestreift für Hollywoods neueste Lieblingsfarbe: Grün", spottete die Los Angeles Times.

Botschaft mit Wohlfühlaroma

Im kollektiven Unterbewusstsein der Branche stand Umweltschutz bisher für fettige Haare, schlecht sitzende Hosen, ein unangenehmes Redebedürfnis und leere Kinosessel. Jetzt hat Umweltschutz die Beine von Cameron Diaz, das Dekolleté von Halle Berry und den Sexappeal von George Clooney.

Die Botschaft dahinter besitzt das Wohlfühlaroma: Du kannst Umweltschützer sein und darfst trotzdem gut aussehen. Konsum ist okay, solange er die Natur nicht kaputtmacht. Ökologie ist sexy! In die Hände von Hollywood zu geraten, ist wahrscheinlich das Beste, was dem Thema passieren konnte.

Allerdings empfiehlt es sich, nicht zu genau hinter die grüne Fassade zu schauen. Wenn ein Star einen öffentlichen Pakt mit der Natur eingeht, profitiert davon zunächst einmal der Star. Der berühmte Name auf einer Petition zum Schutz der Meere, das dezent geschminkte Gesicht auf einer Demo gegen die Freigabe der Bohrrechte in Alaska: Meldungen und Fotos wie diese sind derzeit pures PR-Gold.

Was wirklich draus geworden ist, will dann eh keiner mehr so genau wissen. Die Schauspielerin Scarlett Johansson, deren Einsatz bisher schwerpunktmäßig der eigenen Karriere gegolten hat, brachte das Bekenntnis zu ökologisch fair produzierten T-Shirts von "Armani Red" im Oktober immerhin aufs Cover der britischen Vogue - in einem Armani-Abendkleid, versteht sich.

"Hauptsache, der Gedanke wächst"

Am Ende ist es ohnehin leichter, im Hochglanzmagazin oder auf dem Sofa von Oprah Winfrey über das Schmelzen der Polkappen zu plaudern als die Politik im Irak und die Verhältnisse in Guantanamo anzuprangern. Umweltschutz in diesem Stadium dekoriert die Persönlichkeit, bringt Sympathien und tut keinem weh.

Vanity Fair köderte die Leser dann auch zielgruppengerecht mit "50 einfachen Methoden, die Welt zu retten" - bloß nicht zu viel der Zumutung! Den Schritt vom Lifestyle-Aktivismus hin zum echten Engagement machen in Hollywood nur die üblichen Verdächtigen mit und predigen dann zu einem Amerika, das wie eh und je entsetzt die Augen aufreißt: Weniger Autofahren? No way!

Al Gore hat vor kurzem in einem Interview gesagt, ihm sei letztlich egal, wo der Umweltgedanke herkomme, wer ihn vertrete und was dahinter stecke - "Hauptsache, dieser Gedanke wächst".

© SZ vom 26.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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