Sprung ins saubere Wasser:Sommer, Sonne, Keime

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Hier wird am Strand der Cala Salada auf Ibiza gebadet. Die Wasserqualität sei dort fabelhaft, sagt die Europäische Umweltagentur. (Foto: David Ramos/Getty)

Die Qualität der Badegewässer an den Küsten Europas ist so gut wie nie, lautet das Fazit eines EU-Berichts. An 14 deutschen Badeorten kann man aufgrund erhöhten Bakterienaufkommens dennoch nicht zufrieden sein.

Von Martin Zips

Dass einem ein ordentlicher Brechdurchfall nach einem herrlichen Badetag auch den schönsten Strand noch jahrelang vermiesen kann, ist bekannt. Thomas Mann soll einst häufiger unter Magen-Darm-Problemen gelitten haben - vielleicht hatte das mit seiner Vorliebe für italienische Badeorte wie Forte dei Marmi zu tun. Und waren womöglich auch die schlimmen Durchfälle von Alexander dem Großen und dem römisch-deutschen Kaiser Friedrich III. nichts anderes als eine Folge ihres Bades in belasteten Gewässern?

Würden all diese Männer heute leben, so hätten sie weit weniger zu befürchten. Denn - das beweist der soeben in Brüssel und Kopenhagen vorgestellte Badegewässer-Bericht der Europäischen Umweltagentur - in Europa ist die Wasserqualität wieder einmal fabelhaft. Von den 21 538 untersuchten Gewässern in 28 Mitgliedstaaten (plus Albanien und der Schweiz) entsprachen 95,1 Prozent den EU-Standards. 83,3 Prozent verfügten gar über eine "ausgezeichnete Qualität". So gut war es um die europäischen Küsten, Seen und Gumpen noch nie bestellt. Die drei Länder mit der höchsten Anzahl beanstandeter Wassergüte waren diesmal Spanien und Frankreich (je 3,1 Prozent) sowie Italien (1,9 Prozent). Aber keine Angst: Mehr als 90 Prozent der Küsten-Badestellen halten auch dort die Mindeststandards ein. Ein "Ausgezeichnet" ging an die meisten Küsten- und Binnenbadegewässer von Zypern, Griechenland, Kroatien, Luxemburg, Malta und - glücklicherweise - Deutschland.

Mehr als 30 Seiten umfasst der reich bebilderte Bericht, eröffnet wird er von dem poetischen Satz: "Das Nahen des Frühlings in Europa lässt die Gedanken zahlreicher Europäer zu den Aktivitäten im Freien schweifen, denen wir nun, da das Wetter immer besser wird, wieder nachgehen können." Das mit dem Wetter freilich ist dieser Tage so eine Sache und schweifen kann man vor lauter Streik und Stau auch nicht. Beruhigend aber, dass man - im Falle überraschend einsetzenden Sonnenscheins und unverhofft freier Straßen - recht unbesorgt in 97,6 Prozent aller deutschen Badegewässer steigen könnte. Die nämlich erfüllten im vergangenen Jahr die EU-Mindeststandards. Im Vergleich zu 2013 hat sich Deutschland damit sogar noch leicht verbessert (da entsprachen 97 Prozent den Mindeststandards). Die Überwachung nehmen die Behörden vor Ort vor - gemäß der seit 1976 existierenden Europäischen Badegewässerrichtlinie. Diesmal nahmen kommunale Prüfer in der Badehosensaison 2014 an 2290 Orten ihre Proben, in vorgegebenen zeitlichen Abständen, zu vorgegebenen Bedingungen. Für die Beurteilung der Wassergüte ist - neben übermäßigem Algenbefall - vor allem die Häufigkeit zweier Bakterienarten entscheidend: Escherichia coli und Darmenterokokken. Erstere können zu Übelkeit oder Durchfall führen, die anderen schaffen es, schwere Erkrankungen auszulösen, wenn sie in den Körper gelangen. Doch wie rutscht im Zeitalter der flächendeckenden Kanalisation überhaupt noch Fäkalienunrat ins Freizeitbad? Meist durch schwere Regenfälle und überfließende Kanalisation, erklärt Peter Kristensen von der Europäischen Umweltagentur. Auch Gülle und der Kot von Wildvögeln oder Hunden könne zur Belastung werden. Müll oder andere Formen der Umweltverschmutzung wurden für den EU-Bericht übrigens nicht ausgewertet.

Vorsicht am Naturbadesee! Die Handvesper könnte verhängnisvoll enden

Wie muss man sich angesichts eines insgesamt sehr positiven Ergebnisses nun an einem so schönen Ort wie dem Naturbadesee in Gschwend fühlen? Im Naherholungs-Juwel im Herzen des Schwäbischen Waldes gibt es am Kiosk nicht nur den "Badseeburger" zu kaufen, sondern auch weitere "habhafte Handvesper" ( Rems-Zeitung) . Zuletzt waren die Wasserwerte dort ausgezeichnet, diesmal jedoch bereitet der Naturbadesee mit 13 anderen als mangelhaft bewerteten Badestellen den Leuten Kopfzerbrechen.

Wenig sympathische Keime fanden sich auch an der Kleinen Badewiese an der Unterhavel in Berlin, an gleich drei Badestellen an der Schlei, im Schwornweisach-Weiher in Uehlfeld, im Finsterroter See in Wüstenrot und der Kocherbadebucht an der Künzelsau. Als stark belastet bewertet wurde zudem der Strand Kleinostheim am Mainparksee in Mainaschaff, der Perfstausee Breidenstein, die Glöwitzer Bucht in Barth an der Ostsee, Schlüttsiel an der Nordsee, das Strandbad Eriskirch am Bodensee und der Campingplatz Siersburg in Rehlingen-Siersburg an der Nied, der über eine begehbare Sonnenuhr im Eingangsbereich sowie einen behindertengerechten Angelplatz verfügt. Vor plötzlichem Unwohlsein schützt freilich auch das nicht.

Und selbst, wenn Literaten wie der rumänisch-deutsche Schriftsteller Uwe Erwin Engelmann behaupten: "Man kann Gedichte über alles schreiben, auch über den Durchfall" - angenehm ist das freilich alles nicht. Denn wohin nur führt der Bakterienbefall? Über den aus der Schlacht von Mars-la-Tour (1870) bekannten preußischen General Anton Ferdinand von Stülpnagel weiß man beispielsweise, dass er während seines Badeurlaubs auf Norderney verstarb. Die Frage ist nur: Welcher Keim war schuld?

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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