Spielbank im Internet:Virtuelles Roulette, reale Sucht

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Künftig überträgt eine Kamera das Roulettespiel im Casino Wiesbaden live ins Internet. Gezockt wird mit virtuellen Jetons und echten Gewinnen. Andere Casinos wollen nachziehen, dabei wird das Spiel schnell zur Sucht.

Von Klaus Ott und Nadeschda Scharfenberg

Solch einen Croupier trifft man in den Spielbanken nicht alle Tage. Am Freitagnachmittag lässt der hessische Innenminister Volker Bouffier im Casino von Wiesbaden die Kugel rollen. Es wird schließlich eine ganz besondere Art von Roulette geboten. Künftig können Hessens Bürger und bald vielleicht noch ein paar Leute mehr ganz legal auch im Internet zocken.

Der PC als Spielcasino: "Wegen der raschen Spielfolge gibt es ein sehr großes Suchtpotenzial", warnen Experten. (Foto: Foto: dpa)

Als einzige deutsche Spielbank bietet das Wiesbadener Casino von diesem Freitag an die Möglichkeit, vom Computer aus mit virtuellen Jetons auf Rouge (Rot) oder Noir (Schwarz), einzelne Zahlen, Pair (Gerade) oder Impair (Ungerade) oder diverse andere Kombinationen zu setzen. Zu diesem Zwecke wird das Roulettespiel aus dem mehr als 200 Jahre alten Casino in Wiesbaden online live übertragen.

Die Konkurrenz im Ausland ist längst online

Dabei soll es nicht bleiben. Die DeSia, die Deutsche Spielbanken Interessens- und Arbeitsgemeinschaft, bastelt an einem bundesweiten Internetkonzept. "Wir planen eine einheitliche Dachmarke", sagt Schleswig-Holsteins Spielbanken-Chef Matthias Hein, einer der beiden DeSia-Sprecher. Man wolle gegen die großen Online-Casinos antreten, die von der Karibik aus agierten und immer mehr Geld aus dem deutschen Markt absaugten.

Die deutschen Spielbanken, die bei Einsätzen von zehn Milliarden Euro im Jahr gut eine Milliarde Euro Gewinn erwirtschafteten, würden bereits bis zu 20 Prozent ihrer Erlöse an die internationale Konkurrenz verlieren. Hain sagt, das könne nicht im Sinne der Bundesländer sein. Die schöpfen immerhin rund 80 Prozent der Spielbanken-Gewinne ab.

Doch etwa die Hälfte der 16 Länder sind skeptisch, allen voran Bayern und Baden-Württemberg. Deren Unions-Regierungen befürchten, immer mehr Bürger könnten der Spielsucht anheim fallen und ihr Einkommen verzocken, falls nun auch noch die heimischen Casinos ins Internet gehen. Gerade erst haben die Innenminister schärfere Kontrollen in den Spielbanken selbst beschlossen.

"Sehr großes Suchtpotential"

Dort müssen die Besucher künftig auch dann ihren Ausweis vorlegen und sich registrieren lassen, wenn sie an einarmigen Banditen und anderen Automaten ihr Glück versuchen. Bislang wurde nur das so genannte große Spiel streng beaufsichtigt, also Roulette oder Black Jack.

Wissenschaftler wie Gerhard Meyer vom Institut für Psychologie und Kognitionsforschung der Universität Bremen warnen vor den Gefahren von Online-Casinos. Es gebe da "wegen der raschen Spielfolge ein sehr großes Suchtpotenzial, die Hemmschwelle ist geringer". Der von Therapeuten und Beratungsstellen getragene Fachverband Glücksspielsucht, den die Länder gerne zu Rat ziehen, verweist ebenfalls auf zahlreiche Risiken.

Es lasse sich nicht verhindern, dass sich Kinder mit den Kreditkarten der Eltern Zugang verschafften. Anders als im Casino sei zudem auch nicht erkennbar, ob jemand zu viel Alkohol getrunken oder Drogen genommen habe und dann zocke. Meyer verlangt eine strenge Überwachung der Online-Spieler, glaubt aber nur bedingt an einen Erfolg solcher Maßnahmen. Die Spielbank Hamburg war bereits im Internet, ehe sie nach einem Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichtes wieder abschalten musste.

Teure Werbung schmählert den Gewinn

In Deutschland durften sich damals nur Bürger der Hansestadt einloggen. Der Bremer Wissenschaftler Meyer sagt, ihm sei es trotzdem gelungen, sich mehrmals Zugang zu verschaffen. "Es gab deutliche Lücken." DeSia-Sprecher Hein entgegnet, gerade im Internet könne man mit einem entsprechenden "Raster" die Gäste bestens kontrollieren, falls die Datenschutzbeauftragten das erlaubten. "Wir müssen den Online-Anbietern aus der Karibik ein staatlich überwachtes Angebot entgegensetzen."

Das kostet allerdings viel Geld, vor allem für die Werbung, um die neuen Internet-Casinos bekannt zu machen. Die Länder sollen sich deshalb am Anfang mit einer Gewinnabgabe in Höhe von 30 Prozent statt der üblichen 80 Prozent begnügen. Bei den Finanzministern hat das offenbar keine Freude ausgelöst.

© SZ vom 16.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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