Spanische Raucher:Die Vertreibung aus dem Paradies

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Bislang galt Spanien Rauchern als Himmel auf Erden, nun hat die Regierung eines der strengsten Anti-Tabak-Gesetze Europas beschlossen.

Peter Burghardt

Wer in Spanien ein gut besuchtes Lokal betritt, der sollte bislang keine gesteigerte Abneigung gegen Zigaretten haben. Laut Statistik rauchen 38,7 Prozent der Spanier und 24,1 Prozent der Spanierinnen - in den meisten Kneipen scheint es allerdings die Gesamtheit zu sein, Kellner inklusive.

In der Madrider U-Bahn wird massiv auf das geltende Rauchverbot hingewiesen. (Foto: Foto: AP)

Zu den Stoßzeiten verschleiert dichter Nebel die Gesichter, und steigt man nachher mit stinkenden Klamotten in ein Taxi, so kann es durchaus sein, dass der Fahrer gerade gemütlich qualmt. Raucher finden das normal bis paradiesisch, Nichtraucher mussten sich daran gewöhnen.

Bis zu dieser revolutionären Kehrtwende war das Land hinter den Pyrenäen eben sehr viel freizügiger als geordnete Nationen, in denen schon länger strengere Regeln herrschen. Doch zum 1.Januar 2006 fegt eisiger Wind durch den spanischen Dunst, entfacht von der sozialistischen Regierung des Gelegenheitsrauchers Jose Luis Rodriguez Zapatero.

Im Parlament wird heimlich gepafft

Im Sommer 2004 hatte sich das Parlament bereits selbst ein Verbot auferlegt und Raucher aus dem Kongressgebäude verbannt, seitdem wird heimlich gepafft.

Am Donnerstag nun haben die Abgeordneten für das gesamte Königreich Beschränkungen beschlossen, die über Vorschriften in Deutschland oder Frankreich weit hinausgehen. Ab dem Silvesterläuten, wenn Spanier zu jedem Glockenschlag eine Weintraube schlucken und auf ein glückliches Jahr hoffen, sind brennende Glimmstängel an geschlossenen Arbeitsplätzen grundsätzlich verboten. Es darf dort auch keine Raucherecken geben.

In Gaststätten von mehr als 100 Quadratmetern Größe können Süchtigen Refugien eingerichtet werden, sie dürfen aber höchstens 30 Prozent der Fläche belegen. In Schulen, Sportstätten, Krankenhäusern, Museen, Aufzügen, Telefonzellen, Geldautomaten, Metros, Zügen und an weiteren Orten drohen Strafen von 30 bis 600 Euro für Konsumenten und bis zu 10000 Euro für Gastronomen.

Viele Wähler dafür

Die zustimmenden Gesetzgeber applaudierten, auch viele Wähler sind dafür. "Das ist eine historische Marke im Kampf gegen das größte Problem der öffentlichen Gesundheit", verkündet Gesundheitsministerin Elena Salgado.

Mehr als 50.000 Spanier sterben jedes Jahr an den Folgen von Tabak, mehrere Hundert davon sind Passivraucher. Das Einstiegsalter bei Jugendlichen ist bei 13 angekommen, künftig dürfen Zigaretten nur noch an Volljährige verkauft werden. Andere halten die Reglementierung für einen Angriff auf die Freiheit. "Das Gesetz ist eine Sauerei", wettert etwa der aragonische Parlamentarier Antonio Labordeta.

Das Kampfblatt El Mundo bezeichnet den Vorstoß als "Akt der Intoleranz", Raucher würden "verfolgt und marginalisiert". Besonders gemein findet die Zeitung den Umstand, dass die Sozialisten und ihre linken Verbündeten die Eingabe der rechtskonservativen Volkspartei PP niedergeschmettert haben und keine Entwöhnungsmittel bezahlen wollen.

Am allermeisten schimpfen selbstverständlich Industrie und Wirte. Spanien kultiviert jährlich 42.000 Tonnen Tabak und verdient damit als drittgrößter Produzent der EU mehr als zehn Milliarden Euro. Ungefähr 20.000 Familien leben davon, die Vereinigungen von Herstellern und Verkäufern protestieren.

Unterdurchschnittliche Preise

Obendrein werden die bisher unterdurchschnittlichen Preise (gewöhnlich 2,50 Euro pro Schachtel) bald steigen, wenn die Steuern 2007 auf EU-Niveau gehievt werden. Außerdem wird die Werbung verboten. Nur Rennstrecken haben drei Jahre lang Zeit, die Schriftzüge verschwinden zu lassen. Hoteliers fürchten Verluste von 1,6 Milliarden Euro. Und das Restaurantgewerbe klagt, der geforderte Umbau der 150.000 Wirtsstuben koste an die 2,2 Milliarden Euro. Überhaupt seien die Paragrafen unmöglich umzusetzen.

Die Aufregung ist noch größer als vor einigen Jahren beim so genannten "Ley Antibotellon", das jenseits von Theken und Tischen das öffentliche Trinken von Alkohol verbietet und nach 22 Uhr auch den Verkauf in Geschäften.

Werde Spanien bald so langweilig wie die USA, fragen sich die Kritiker der Verbotswelle und fürchten den Verfall der iberischen Freizeitkultur. Dass kleinere Bars sich lediglich mit Hilfe von Hinweisschildern entscheiden müssen, ob sie für Raucher oder Nichtraucher da sind, besänftigt die Widerstandsbewegung nicht.

Wenig überzeugend

Noch weniger überzeugen sie Hinweise, dass Rauchverbote in Italien zu keinem Volksaufstand geführt hätten, und in Norwegen wegen der Einschränkungen keine Verluste im Gastgewerbe zu verzeichnen seien.

Norwegen? In einem legendären Lied des Barden Joaquin Sabina heißt es: Allein Anton Martin (ein Gebiet in der Madrider Altstadt) habe mehr Kneipen als ganz Norwegen zusammen.

© SZ vom 17.12.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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