Spanair-Unglück:Seltsame Geräusche

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Eine Kette von Pannen und Fehlentscheidungen ist wohl Ursache für den folgenschweren Absturz der Spanair-Maschine in Madrid.

Javier Cáceres

Auch 20 Tage nach der Flugkatastrophe von Madrid sind die Gewissheiten über den Unfallhergang rar; die Auswertungen des Flugschreibers dauern noch an. Doch immer deutlicher kristallisiert sich heraus, dass eine tragische Kette von Defekten und Fehlern zum Tod von 154 Menschen führte.

Bergung des Ferienfliegers: Ein Warnlicht im Cockpit der McDonell-Douglas 82 hatte eine Überhitzung des Temperaturfühlers angezeigt. (Foto: Foto: dpa)

Unter Spaniens Fluggästen hat dies zu enormer Verunsicherung geführt. Erst am Donnerstag war eine Spanair-Maschine wegen eines "kleineren technischen Problems" auf Mallorca notgelandet, knapp zehn Tage zuvor war ein Spanair-Flug zwischen Barcelona und Lanzarote in Málaga unterbrochen worden.

Vergangene Woche stiegen auf Teneriffa 87 Passagiere aus einer vollbesetzten Air-Europa-Maschine aus, der Pilot hatte ebenfalls einen Start abgebrochen und eher verunsichernde als griffige Erklärungen geliefert.

Der von seinen Kollegen als umsichtig und professionell beschriebene Spanair-Pilot Antonio García Luna, Kapitän der in Madrid abgestürzten Maschine, hatte sich trotz vorliegender Startgenehmigung entschlossen, einen ersten Start abzubrechen und von der Rollbahn ans Gate zurückzukehren.

Ein Warnlicht im Cockpit seiner McDonell-Douglas 82 hatte eine Überhitzung des Temperaturfühlers angezeigt. An Parkplatz Nummer 11 wurde ein Maschinenwechsel vorbereitet und schließlich verworfen. Techniker und Pilot waren sich gewiss, das Problem erkannt und behoben zu haben. Der Fehler war strikt nach den Vorgaben des Handbuchs "neutralisiert" worden - durch die Entfernung der Sicherung des Fühlers. Dessen Ausfall für sich genommen ist für die Flugtauglichkeit einer Maschine zunächst einmal unerheblich.

Der Zeitung El Mundo zufolge aber kann der Ausfall des Temperaturfühlers durch ein weit gravierenderes Problem verursacht worden sein: der Ausfall der Vorrichtung, die dem Bordcomputer anzeigt, ob das Flugzeug sich in der Luft oder am Boden befindet. Die Überprüfung dieses Boden-Luft-Sensors sei für den Fall eines defekten Temperaturfühlers im Handbuch aber nicht vorgeschrieben, fügte das Blatt hinzu.

Die vorschriftsmäßige Handhabung des Problems wäre demnach für das Drama mitentscheidend gewesen. Denn ein Ausfall des Boden-Luft-Sensors kann offenbar auch zum Ausfall eines akustischen Warnsystems im Cockpit führen. Das wiederum würde erklären, warum den Piloten beim Start der Spanair-Maschine nicht angezeigt wurde, dass die sogenannten Auftriebsklappen an den Tragflächen der Maschine, nicht ausgefahren waren.

Die US-Zeitung Wall Street Journal hatte vergangene Woche berichtet, dass untersucht werde, ob der Pilot vergessen habe, die Klappen auszufahren. 1987 war in Detroit eine MD-82 aus diesem Grund abgestürzt.

Klar ist anhand der ersten Untersuchungsergebnisse, dass die Belegschaft nicht überarbeitet war. Klar ist allerdings auch, dass sich die Maschine nicht in perfektem Zustand befand.

Kurz vor dem Unglück hatte ein Pilot einen Start in Palma de Mallorca wegen seltsamer Geräusche im Fahrwerk abgebrochen, auch wurde der rechte Umkehrschub abgeschaltet. Der linke Umkehrschub wurde hingegen aktiviert. Als möglich gilt, dass der Pilot nach dem Aufprall versucht hat, den Umkehrschub auszulösen. Nach den bisherigen Ermittlungen stürzte der Flieger aus weniger als 20 Metern ab und prallte drei Mal auf, ehe er in Flammen aufging. Nur 18 Menschen überlebten.

© SZ vom 08.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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