Späti-Volksbegehren:Berliner Kulturkampf

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Der Späti, rund um die Uhr geöffnet, eine Berliner Institution - jetzt soll Schluss damit sein? (Foto: Florian Schuh/dpa)

Bier, Zigaretten, Babynahrung oder Klopapier: Spätis versorgen die Berliner rund um die Uhr mit allem Notwendigen. Wenn da nur nicht das Ordnungsamt wäre.

Von Verena Mayer, Berlin

Wenn man einen Berliner nach einer Institution fragt, die es nur in seiner Stadt gibt, wird er irgendwann sagen: der Späti. Die Spätkauf-Märkte sind nicht nur Kioske, die all das verkaufen, was man zwischendurch schnell mal braucht, ob Brötchen, Blumen, Zigaretten, Toilettenpapier, Babynahrung, Alkohol oder Ladekabel. Sie sind auch jene Orte, an denen man Schlüssel hinterlegen kann, sich Pakete hinliefern lässt oder abends zusammen Fußball guckt, eine Mischung aus Nahversorger und Nachbarschaftszentrum. Vor allem aber haben die etwa 1000 Spätis, die es in der Hauptstadt gibt, rund um die Uhr geöffnet, auch sonntags und an Feiertagen.

Das aber dürfen sie gar nicht. Das Berliner Ladenöffnungsgesetz schreibt vor, dass die Spätkauf-Märkte, anders als Tankstellen, Souvenirläden oder Backshops, an Sonn- und Feiertagen geschlossen haben müssen. Unter den Leuten, die man sonntags in einem Späti trifft, sind daher sehr oft Mitarbeiter der Berliner Ordnungsämter. Sie verhängen Strafen und haben auch schon Lizenzen entzogen. Das aber wollen sich die Spätkauf-Betreiber nicht länger gefallen lassen. Sie haben sich zum Verein "Berliner Spätis" zusammengeschlossen und planen Großes: ein eigenes Späti-Volksbegehren.

Alper Baba, der Vorsitzende des Vereins, steht in seinem Laden in der Neuköllner Karl-Marx-Straße. Ein typischer Späti. Die Leute kaufen Zeitungen oder Mineralwasser, ein paar Touristen drucken Bordkarten aus, Baba schenkt einer Besucherin ein Glas Tee ein, nebenan betreibt er noch ein Café mit Spielautomaten. Baba hat bislang 1000 Euro Bußgeld gezahlt, weil er gegen die Vorschriften sonntags geöffnet hatte, er kennt aber auch Leute, die ihre Läden bereits schließen mussten. Meistens treffe es Migranten, sagt Baba, die mit ihren Spätis ganze Familien ernähren. Vor allem aber glaubt Baba, Berliner mit kurdischen Wurzeln, dass die Spätis "ein deutsches Kulturgut" seien. "Warum will man das jetzt kaputt schlagen?"

Seine Frage kommt genau in einer Zeit, in der das sonst so liberale Berlin durch Verbote und Regulierung auf sich aufmerksam macht. Seit Ende Mai darf es keine Ferienwohnungen mehr geben, vom Schlachtensee hat man die Hunde verbannt. Und vor Kurzem forderte auch noch die Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU), dass es verboten sein solle, in Berlin auf offener Straße Alkohol zu trinken. Das immerhin scheint nach Protesten nun vom Tisch zu sein, betrifft es doch eine weitere Berliner Institution: das sogenannte Wegbier. Mit der Bierflasche in der Hand Tag und Nacht durch die Straßen zu ziehen, gehört inzwischen so sehr zur Hauptstadt, dass der Tourismus-Chef sogar von einem "Berliner Lebensgefühl" sprach.

Möglich ist dies aber nur, weil man in Berlin rund um die Uhr Bier für 1,20 Euro kaufen kann - und zwar in den Spätis. Hier schließt sich der Kreis, weshalb die Späti-Betreiber nach dem Sommer beginnen werden, Unterschriften für ihr Volksbegehren zu sammeln. Sie wollen erreichen, dass die Spätis behandelt werden wie Sonderverkaufsstellen, also etwa Läden in Bahnhöfen. Rückhalt haben sie von den meisten Berlinern und vereinzelt aus der Politik. Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) hat aber darauf hingewiesen, dass die Berliner Ladenöffnungszeiten ohnehin schon sehr liberal seien.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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