Eine mutmaßliche Sektenführerin ist wegen Mordes an einem kleinen Jungen in Hanau vor 35 Jahren verurteilt worden. Sie erhalte eine lebenslange Haftstrafe, sagte der Vorsitzende Richter am Mittwoch bei der Urteilsverkündung im Frankfurter Landgericht. Der vierjährige Jan war der Sohn von Sektenmitgliedern gewesen, er wurde am 17. August 1988 ermordet.
Der Junge war damals in einem über seinem Kopf verschnürten Sack erstickt. Viele Jahre hatten die Ermittler den Tod für einen Unfall gehalten, erst 2015 war der Fall nach Hinweisen von Sektenaussteigern wieder aufgerollt worden. 2017, 29 Jahre nach dem Tod des Kindes, war dessen Leiche schließlich exhumiert und von Gerichtsmedizinern untersucht worden.
Die Ermittler gehen davon aus, dass der Junge an seinem Erbrochenen erstickt ist. Offenbar war das Kind zum Mittagsschlaf regelmäßig in den Stoffsack gesteckt worden, an seinem Todestag muss es darin ohnmächtig geworden sein.
In einem Prozess gegen die Mutter des Jungen hieß es im vergangenen Jahr in der Anklage, die mutmaßliche Sektenchefin soll der Mutter eingeredet haben, der Junge sei die "Reinkarnation Hitlers, ein Machtsadist und von den Dunklen besessen", mehrfach hatte sie prophezeit, Gott werde ihn zu sich holen. Die Mutter wurde vor einem Jahr freigesprochen.
Bereits 2020 war die heute 76-Jährige mutmaßliche Sektenführerin wegen Mordes verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil jedoch auf und verwies den Fall zum erneuten Prozess an das Landgericht in Frankfurt. Dort verhandelte seit dem vergangenen Frühjahr eine Schwurgerichtskammer.