Schwerverbrecher:Flüchtige Begegnungen

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Christian Bogner gilt als einer der gefährlichsten Verbrecher Deutschlands. Bereits sieben Mal ist er aus dem Gefängnis ausgebrochen. Nun steht er wegen Mordes in Lübeck vor Gericht - unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen.

Ralf Wiegand

Der Gefangenentransport nahm eine Geheimroute von Hamburg nach Lübeck, die Wachmänner waren angewiesen, Hand- und Fußfesseln des Angeklagten auch im Gerichtssaal nicht zu lösen, und die Besucher des Lübecker Justizgebäudes durchsuchte man so gründlich, dass sich der Prozessbeginn verzögerte.

Polizisten bringen Christian Bogner zu seinem Prozess. (Foto: Foto: dpa)

Bewaffnete Polizisten patrouillierten. Die Angst, dass Christian Bogner ein weiteres Mal entkommen könnte, war am Freitag fast mit Händen zu greifen.

Christian Bogner gilt als einer der gefährlichsten Verbrecher Deutschlands. Sieben Mal ist der 49-Jährige, der insgesamt knapp 30 Jahre seines Lebens einsaß, aus verschiedenen Gefängnissen entkommen, einmal floh er aus einer Gerichtsverhandlung.

Die Medien nennen ihn "Ausbrecherkönig"

Auf seiner letzten Flucht im Oktober 2004 aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lübeck soll Bogner den arbeitslosen Gärtner Engelbert Danielsen ermordet haben. Dafür wird ihm jetzt in Lübeck der Prozess gemacht.

Wegen Banküberfalls ist er bereits zu einer Haftstrafe bis 2013 verurteilt worden, im Anschluss daran würde er in Sicherheitsverwahrung genommen.

Auch wenn er nicht wegen Mordes verurteilt würde, käme Bogner womöglich für den Rest seines Lebens nicht mehr frei - es sei denn, er verschafft sich diese Freiheit auf seine eigene Weise. "Ausbrecherkönig" nennen ihn die Medien fast respektvoll, als "blitzgescheiten Bauschlosser" stellte ihn das Hamburger Abendblatt vor.

Mit Gabelstabler und Gerüst aus dem Gefängnis

Bogners Flucht aus der JVA Lübeck "Lauerhof", dem vermeintlich sichersten Gefängnis von Schleswig-Holstein, war ein Politikum, das fast zum Rücktritt der damaligen Justizministerin Anne Lütkes (Grüne) geführt hätte. Weil sich Bogner geradezu vorbildlich geführt hatte, lockerte die Gefängnisleitung seinen Vollzug.

So bekam Bogner etwa Zutritt zur Schlosserei der Anstalt - obwohl er bereits bei seiner vorangegangenen Flucht aus der JVA Lingen die Schlosserei genutzt hatte, um sich eine Leiter für die Flucht zu basteln.

Diesmal schraubte Bogner sich eine Gerüstkonstruktion zusammen, die er auf einen Gabelstapler montierte. Am Morgen des 26. Oktober 2004, gegen sieben Uhr, kletterte er damit über die Außenmauer der JVA. Draußen stand ein Auto bereit, das sein Bruder Martin Lenz dort abgestellt haben soll - Bogner hatte sich 1993 mit standesamtlicher Beurkundung einen neuen Namen zugelegt, bis dahin hieß er Bernhard Lenz.

Ein "gewaltfreies Wesen"

Martin Lenz steht ebenfalls vor Gericht, denn er soll seinem Bruder auch bei dem Mord an dem arbeitslosen Gärtner geholfen haben, indem er ihn mit einer Stellenanzeige in eine Falle lockte.

Bogner, der zuletzt in Hamburg einsaß, schwieg zum Prozessauftakt am Freitag. Seinen Anwalt ließ er indes folgende Variante vom Tathergang verlesen: Mit dem ermordeten Danielsen habe ihn seit Jahren eine "platonische Liebe" verbunden.

Als der Mann Sex von ihm verlangt habe - wenige Stunden nach der Flucht aus der JVA -, habe er ihn in einer "panischen Kurzschlussreaktion" getötet. Er könne sich das heute "aus meinem gewaltfreien Wesen heraus" gar nicht erklären. Danielsen wurde erdrosselt.

Ausweispapiere, die die Freiheit bedeuten

Die Staatsanwaltschaft glaubt indes, Bogner habe geplant, die Identität seines Opfers anzunehmen, das dem Schwerbrecher sehr ähnlich sah. Die Polizei hatte Bogner nach einer Zielfahndung am 30. Oktober 2004 festgenommen und bei ihm die Papiere des vermissten Danielsen gefunden. Im Dezember verriet Bogner, wo die Leiche vergraben war.

Schon 1995 stand Bogner im Verdacht, aus demselben Motiv einen ehemaligen Mitschüler getötet zu haben. Man fand die Papiere des Mannes bei Bogner, aber nie eine Leiche. Bogner wurde daher lediglich wegen Bankraubs mit Geiselnahme verurteilt.

Der aktuelle Prozess mit mehr als 60 Zeugen soll bis zum Jahresende dauern.

© SZ vom 13.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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