Schweiz:Strafe für Fremdsprache

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Eine Schweizer Gemeinde will durchsetzen, dass auf dem Schulhof Deutsch gesprochen wird - mit drastischen Mitteln.

Von Charlotte Theile, Zürich

Es ist nur eine kleine Meldung, aber eine von der Sorte, die aufschrecken lässt. In Egerkingen, einem Örtchen im Kanton Solothurn, hat der Gemeinderat eine Ergänzung der Schulordnung beschlossen: Auf dem gesamten Gelände der örtlichen Grundschule sollen die Schüler verpflichtet werden, Deutsch zu sprechen. Wer sich nicht daran hält, wird ermahnt, beim zweiten Mal geht ein Brief an die Eltern. Beim dritten Mal wird es teuer: Der betreffende Schüler wird zum Deutschkurs verdonnert, Kostenpunkt 550 Franken, etwa 500 Euro. Wie bitte?

Die Gemeindepräsidentin Johanna Bartholdi schnaubt verärgert ins Telefon. Nein, nötig hätte den Kurs eigentlich niemand. "Die können alle Deutsch. Das ist es ja gerade!" Die anderen Sprachen würden bewusst verwendet, um nicht verstanden zu werden und sich abzugrenzen. "Ich will Ihnen nicht verschweigen, dass die Lehrer zuerst nicht begeistert waren", sagt die Politikerin, die der Schweiz schon wegen einer anderen ungewöhnlichen Aktion bekannt ist. Sie hat schon einmal die Namen von säumigen Steuerzahlern öffentlich vorgelesen. Nun will sie Grundschullehrer dazu bringen, auf dem Pausenhof genau hinzuhören, in welcher Sprache geredet wird - und die Schüler gegebenenfalls zu bestrafen. Die Lehrer hätten sich nach ersten Protesten inzwischen mit ihrer neuen Rolle abgefunden, sagt Bartholdi. "Sie sollen natürlich abwägen, ob es darum ging, Schweizer Schüler auszugrenzen oder nicht." An der Schule würden 23 Sprachen gesprochen, in einigen Klassen seien mehr Ausländer als Schweizer. Die Deutschpflicht sei ein Weg, sicherzustellen, dass Schweizer Schüler keine Nachteile hätten.

Ob ihre Deutschpflicht vor Gericht Bestand hätte, weiß die Gemeindepräsidentin selber nicht. Was ihr sicher ist? Kaum überraschend: der Beifall mancher Online-Kommentatoren. Die loben das Vorgehen von Bartholdi, die Mitglied der wirtschaftsliberalen FDP ist, auf erwartbare Weise; man sei schließlich in der Schweiz, und da müssten sich die Ausländer integrieren, nicht andersrum. Wie wenig durchdacht der Beschluss ist, zeigt allerdings ein Blick auf die Schweizer Verfassung: Dort ist nicht nur Deutsch als Landessprache eingetragen, sondern auch Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Was mit einem Kind passiere, das auf dem Schulhof Französisch spricht? Johanna Bartholdi sagt, sie wolle jetzt erst einmal mit den betroffenen Eltern Gespräche führen. Die Deutschpflicht samt Strafe komme dann frühestens im August.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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