Schweiz:In Nachbars Garten

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Ein Schweizer Puma-Hubschrauber fischt Wasser aus einem See. (Foto: Dominic Steinmann/dpa)

Damit die Kühe was zu trinken haben, klaut die Schweizer Armee mit Hubschraubern hektoliterweise Wasser aus einem See in Frankreich. Das kommt dort gar nicht gut an - und hat eine Entschuldigung zur Folge.

Von Yannick Nock

Wenn Schweizer Kühe durstig sind, dann hilft notfalls die Armee. Wegen der lang anhaltenden Trockenheit musste das Schweizer Militär bis vor wenigen Tagen Tausende Liter Wasser in die Alpen fliegen. Die Lieferung per Helikopter versorgte 20 000 Kühe im Waadtländer Jura.

Nun ist der Durst der Schweizer Kühe zwar gestillt. Der kuriose Einsatz aber hatte ein politisches Nachspiel. Denn die Eidgenossen schöpften das Wasser nicht etwa aus Schweizer Seen. Sie bedienten sich spontan in Frankreich. Um 15 Minuten Flugzeit zu sparen, flog die Armee zum grenznahen Lac des Rousses. Wurden die Franzosen vorher um Erlaubnis gefragt?

Badegäste bemerkten als Erstes den Schweizer Super-Puma in Tarnfarbe, der mit einem orangen Behälter Wasser schöpfte und davonflog. Und er kam zurück - wieder und wieder.

"Die Aktion hat ohne unser Wissen stattgefunden", beklagte sich der Bürgermeister einer seenahen Gemeinde später gegenüber dem Schweizer Blatt 20 Minuten. "Das ist nicht normal." Besonders ärgerlich für die Einwohner: Ihr Wasserverbrauch war erst kurz zuvor wegen der Hitze eingeschränkt worden. Auch die französische Zeitung Le Parisien empörte sich: "Um ihre Kühe zu tränken, stehlen die Schweizer französisches Wasser." In den Kommentarspalten der Lyoner Zeitung Progrès war wütend von "Wasserdieben" zu lesen.

Die Schweizer Armee indes ließ die Vorwürfe nicht auf sich sitzen. Sie hätten eine offizielle Bewilligung vom französischen Staat, teilte ein Sprecher zunächst mit. Paris habe lediglich vergessen, die Bevölkerung vor Ort über den Einsatz zu informieren. Bereits Mitte Juli hatten Soldaten acht riesige Wasserbecken in den Alpen aufgestellt, die von Helikoptern fortlaufend mit Wasser gefüllt wurden. Ein Befreiungsschlag für die dortigen Bauern, die wegen der Rekordhitze um ihr Vieh fürchteten. Bis zu 150 Liter Wasser säuft eine Milchkuh täglich. Die einzige Alternative zur Hubschrauber-Aktion wäre der Abzug des Viehs aus den Alpen gewesen. Das Problem: Nur wenn die Milch von Tieren auf der Alp stammt, gilt der berühmte Gruyère-Käse auch als klassischer Schweizer Gruyère. Und den Verlust dieses Labels wollten die Bauern keinesfalls riskieren.

Der Schweizer Armeechef André Blattmann ließ nun den Vorfall noch einmal prüfen. Das abschließende Ergebnis: Eigentlich sollten die Militärhelikopter Schweizer Wasser aus dem Lac de Joux, dem Neuenburger oder dem Genfersee schöpfen. Doch irgendwann hätten die Piloten entschieden, zum Lac des Rousses zu fliegen, weil der doch näher sei. Die Schweizer Armee entschuldigte sich, kleinlaut, bei den Franzosen.

Die Aktion hat auch innenpolitisch Kritik ausgelöst. Der Präsident der Schweizer Jungsozialisten ätzte beispielsweise: "Um eine heilige Kuh zu retten, ist der Armee und ihren Vertretern offensichtlich jedes Mittel recht." Die Einsätze zeigten, dass das Militär keine echten Betätigungsfelder mehr habe.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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