Schmidts Abgang:Halb Affront, halb passiver Widerstand

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Trubel bei Sat 1: Erst flog Geschäftsführer Martin Hoffmann, dann spielte sein Freund Harald Schmidt nicht mit.

VON HANS-JÜRGEN JAKOBS, KLAUS OTT, Mitarbeit: Andrea Wieser

Der moderne Mensch denkt, kleine Probleme ließen sich bei gutem Essen und rotem Wein am besten lösen. So glaubte auch Roger Schawinski, der im kleinen Rundfunkmarkt der Schweiz als Gründer aufgefallen war, bei seinem neuen Arbeitgeber Sat 1 mit Wining and Dining die schwerste Aufgabe zu lösen - die Weiterverpflichtung des unzufriedenen Talkshow-Stars Harald Schmidt.

Diese Woche wolle er mit Schmidt speisen, kündigte Schwawinski an - und, sicher, er käme auch mal gerne in dessen Show.

Es wurde ein Scherbengericht, das der frisch bestallte Geschäftsführer des Berliner Privatsenders und sein Landsmann Urs Rohner provoziert haben, der geltungsbewusste Vorstandschef der Pro Sieben Sat 1 Media AG: Am Wochenende entschloss sich Komiker Schmidt nach acht Jahren eine "Kreativpause" einzulegen, wie es in der offiziellen Presseerklärung heißt: "Die Harald Schmidt Show in Sat 1 wird im nächsten Jahr nicht fortgesetzt."

Gespräche über eine künftige Zusammenarbeit sollen aber geführt werden.

Und Schmidt schenkte noch ein nettes Sätzchen, das den Konflikt nicht mehr kaschieren konnte: "Ich habe Sat 1 viel zu verdanken und bleibe dem Sender auch weiterhin verbunden."

Der Eklat war da: Sat 1 ohne Schmidt, geht das überhaupt? Der Sender hatte jedenfalls sein Gesicht verloren.

1995 waren es der damalige Eigentümer Leo Kirch und TV-Manager Fred Kogel gewesen, die Schmidt geholt hatten. Später übernahm Kogels Gefährte Martin Hoffmann den Sender, Schmidt fühlte sich weiter gut aufgehoben.

Die Sache aber änderte sich, als Konzernchef Rohner endlich die Puppen nach seiner Melodie tanzen lassen wollte und zudem der US-Investor Haim Saban die Pro-Sieben-Gruppe aus dem pleite gegangenen Kirch-Reich kaufte.

Schon Mitte des Sommers verabredete Schmidt deshalb augenscheinlich mit seinem Kumpel Hoffmann, den zum Jahresende auslaufenden Vertrag seiner Produktionsfirma Bonito über die Sat1-Show erst mal nicht zu verlängern.

Als Zeichen der Freundschaft spendierte Harald Schmidt noch einen fünften Wochenauftritt am Montag, was den Marktanteilen der Berliner Privat-TV-Station half.

Doch dann machte Rohner vergangenen Donnerstag Ernst und feuerte Sat-1-Chef Hoffmann - mitten in einer Aufschwungphase des Senders, der mit Events wie Das Wunder von Lengede sowie am Vorabend mit Serien wie Lenßen und Partner zulegte und den ewigen Marktführer bedrohte.

Der Eidgenosse an der Spitze hatte das Brutal-Manöver mit seinem Aufsichtsratsvorsitzenden Saban abgestimmt, der zusammen mit Investoren das Kontrollgremium beherrscht.

Dabei soll der Großaktionär aus Los Angeles aber gebeten haben, vorher den Vertrag mit Harald Schmidt zu verlängern. Tatsächlich hatte Rohner mit dem Talkstar entsprechende Gespräche geführt, sich aber nur ausweichende Antworten geholt.

Schließlich feuerte Rohner den Sat 1-Macher Hoffmann auch ohne Klärung des Schmidt-Problems. Die Situation war da.

Das Ego-Projekt

"Der Aufsichtsrat war eingebunden", sagt ein Vertrauter der Saban Capital Group, zwischen dem Rauswurf Hoffmanns und der Pause Schmidts gäbe es keinen Zusammenhang.

Der Moderator sei vielmehr müde, er wolle halt jetzt eine Pause: "Man kann niemanden zwingen, zu arbeiten - die Zeit der Sklaverei ist vorbei."

Vorsorglich habe man ein interessantes Format in der Entwicklung.

Die Personalie Schmidt, vielleicht auch das Taktieren Rohners, wird auf der Aufsichtsratssitzung der Pro Sieben Sat1 Media AG am Mittwoch trotzdem zum Thema.

Bei der Axel Springer AG, einem Minderheitsaktionär, schauen viele mit großen Augen auf die Vorgänge. "Das ist dilettantisch gemacht worden", sagt ein Eingeweihter.

Springer-Chef Mathias Döpfner stärkte bereits im August die Position von Hoffmann, als dieser schon damals in einer Instant-Aktion weggemobbt werden sollte - um Schawinski Platz zu machen.

Die Auswechslung scheiterte, weil TV-Vorstand Ludwig Bauer dem Rohner-Plan widersprach. Vor einigen Wochen wurde auch Bauer verabschiedet.

Nun aber gab es niemanden, der Rohner stoppen konnte, den langjährigen Wirtschaftsanwalt aus Zürich, der 1998 von Kirch geholt wurde, um die Fusion von Pro Sieben und Sat 1 juristisch sauber abzuwickeln.

Verborgen blieb dem Manager, dass Schmidt froh war, im Sommer persönlich mit Hoffmann die zeitliche Ausdehnung der Show in einer Pressekonferenz bekannt zu geben.

Dabei äffte der TV-Star einmal mit gespieltem Schweizer Akzent jemanden nach, der von sich glaubt, alles zu können.

Je mehr Saban und Rohner ungehemmt im zweitgrößten deutschen Privat-TV-Konzern herum fuhrwerkten, umso galliger wurde Schmidt. Nein, so billig sollten sie ihn nicht bekommen.

Die Schawinski-Personalie bot dann den richtigen Zündstoff: Voller Spottlust stürzte sich Schmidt in seiner Show öffentlich auf den von oben durchgeputschten neuen Senderchef, dessen Buch "Das Ego-Projekt - Lebenslust bis 100" am vergangenen Freitag en détail zitiert wurde.

Zum Beispiel das achte Kapitel (Mein nächster Job) mit dem Unterpunkt "Die Schlüssel abgeben...und trotzdem aktiv bleiben": So blicke ich von Zeit zu Zeit auf meinen Schlüsselbund. Wie viele Schlüssel sind es in jüngster Zeit geworden? Wie viele sind hinzugekommen? Welche sind nicht mehr da? Und habe ich nicht mit jedem Schlüssel eine zusätzliche Verantwortung und Belastung übernommen? Für ein Haus, eine Firma, eine Person oder eine Gemeinschaft von Menschen? Und wenn ich mich in eine andere, offenere Zukunft bewegen möchte, muss ich dazu nicht Schlüssel abgeben? Und zwar in einem Rhythmus, der sowohl für ich wie für die betroffenen Menschen richtig ist?

Die Sätze sind banal, aber vielsagend. Sie passen zu Schmidts Schritt, der halb Affront, halb passiver Widerstand ist.

Auf einer Betriebsversammlung wurde am Montag bei Sat 1 die Lage besprochen. Auch die rund 100 Mitarbeiter von Bonito, Schmidts Produktionsfirma trafen sich.

Womöglich stehen einige Jobs auf dem Spiel. Zwei Specials, zum 20. Geburtstag des Senders Sat 1 und mit einem Jahresrückblick, sind noch fest eingeplant. Am 23.Dezember läuft nach dem derzeitigen Stand die letzte Harald Schmidt Show.

Und dann, dann kommt das Christkind.

© SZ vom 9.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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