Schleswig-Holstein:Eingeweihter

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Zweimal war Sven (links) schon verschwunden, aber zur Brunftzeit tauchte er immer wieder in seiner Rinderherde auf. (Foto: Carsten Rehder/dpa)

Gemeinsame Mahlzeiten, gemeinsame Nachtruhe: Ein Rothirsch integriert sich an der deutsch-dänischen Grenze vorbildlich in eine Herde Galloway-Rinder. Dennoch könnte es für ihn dort gefährlich werden.

Von Thierry Backes

Es ist nicht ganz klar, ob Sven nun ein dänischer Einwanderer ist oder nicht. Fest steht: Er hat sich gut integriert in seiner neuen schleswig-holsteinischen Heimat. Dort lebt er Seite an Seite mit etwa 60 Galloway-Rindern. Eine große, glückliche Herde. Nur: Sven ist ein Hirsch.

Wie der Rothirsch zu den Rindern kam, weiß auch Gerd Kämmer, Besitzer der Rinder im Gebiet des Naturschutzvereins Bunde Wischen, nicht. Sven werde nicht gefüttert, trotzdem habe er seinen Alltag dem der Herde angepasst. Anders als seine Artgenossen, die wegen der Menschen inzwischen vor allem nachts in den Wäldern weideten, sei Sven tagaktiv. "Anfangs war er sehr scheu, man konnte ihn nur mit dem Fernglas auf große Entfernungen sehen. Inzwischen kommt man auf bis zu 20 Meter an ihn ran", sagt Kämmer über den Hirschen, der sich seit rund zwei Jahren regelmäßig auf der Weide im Stiftungsland Schäferhaus an der deutsch-dänischen Grenze aufhält.

In den vergangenen beiden Sommern war Sven jeweils für ein paar Wochen verschwunden. Doch ausgerechnet zur Brunftzeit kehrte er wieder zurück. Kämmer vermutete zunächst, dass Sven "von dannen zieht, auf der Suche nach Hirschkühen, doch gerade in dieser Zeit war er dauerhaft wieder da".

Rotwild ist in Südschleswig eigentlich nicht mehr beheimatet. Doch da die Hirsche nördlich der Grenze wenig Platz und Nahrung finden, gibt es eine wachsende Einwanderung nach Schleswig-Holstein. Im Nachbarkreis Nordfriesland hatten Jäger jüngst beklagt, durch die skandinavischen Gäste wüchsen die Schäden in den Forsten.

Auf dem Hunderte Hektar großen ehemaligen Truppenübungsplatz, auf dem die Galloways zu Hause sind, ist Sven mit seinem prächtigen Geweih dagegen gern gesehen. Türmen kann er von dort aus jederzeit: Den einen Meter hohen Weidezaun kann er fast aus dem Stand überspringen. Damit ihn außerhalb des Naturerlebnisraums mit den zahlreichen Besuchern aber nicht doch ein Jäger vor die Flinte bekommt, will Biologe Kämmer ihn in der Region "durch Popularität schützen".

Ob Sven je wieder in einem Rotwild- Rudel heimisch wird? Unwahrscheinlich. Dem Flensburger Tageblatt sagte Kämmer kürzlich: "Er hält sich mittlerweile wohl selbst für ein Rind."

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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