Schlauer Schimpanse:Ich, Cheeta

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Mit "Tarzan" wurde Cheeta weltberühmt, nun lebt der Affe im Altersheim für Primaten in Palm Springs und widmet sich den schönen Künsten.

Claudia Fromme

Große Filmkarrieren können zuweilen sehr traurig enden. Killerwal "Free Willy" Keiko starb in einem norwegischen Fjord an einer Lungenentzündung. Flipper wählte nach seiner Serienlaufbahn den Freitod - durch Luftanhalten, wie depressive Delphine es manchmal machen. Das sprechende Pferd Mr. Ed verendete kläglich an einer Überdosis Tranquilizer. Andere hingegen sind mopsfidel.

Alternder Star: Cheeta. (Foto: Foto: AP)

Cheeta zum Beispiel. Der Affe, der in den dreißiger und vierziger Jahren in "Tarzan" mitwirkte und entgegen vieler Annahmen nicht weiblich ist, fühlt sich so munter, dass er zur Zeit sogar eine Platte aufnimmt. Im Herbst soll das Cover des Countryhits "Convoy" von C.W. McCall erhältlich sein. Ein Musikvideo gibt es auch, Cheeta trägt darin Strohhut und Sonnenbrille und schaut an einem Strand einer üppigen Bikinifrau nach.

Auch sonst pflegt Cheeta das Klischee des alternden Hollywoodstars: Er lebt im Rentnerparadies Palm Springs, dem dereinst Fred Astaire Glanz verlieh, in einem Altersheim für Primaten, die Hollywood abserviert hat. Dan Westfall, 63, früher Comedian im örtlichen Varieté, kümmert sich um Cheetas Wohlergehen und die späte musikalische Karriere.

Das Label Immergent sei an ihn herangetreten mit der Idee für das Lied, und er habe sich gedacht: "Warum eigentlich nicht?" Vor allem, weil alle Einnahmen an das Primatenheim und Projekte für bedrohte Affen in freier Wildbahn gehen. Gerade spiele man die letzten Sequenzen ein, die Passagen McCalls werden ersetzt durch ein "Uooh-aah-u-oohe" Cheetas. Überdies sei jegliche Beschäftigung gut. "Man muss ihn ständig fordern", sagt Westfall. Cheeta sei nun einmal sehr intelligent.

Seit 1967 ist der Affe in Rente

Beschäftigung sucht Cheeta seit mehr als 40 Jahren, solange ist es her, dass der Schimpanse das letzte Mal vor der Kamera stand. 1967, an der Seite von Rex Harrison. Im Filmmusical "Doktor Doolittle" spielt er den Affen CheeChee, der neben Schwein GubGub, Ente DabDab und Eule TooToo mit dem Doc parliert, der über Kenntnisse in 498 Tiersprachen verfügt. Es war nicht seine stärkste Rolle. Die lag schon Jahre zurück. Einst kämpfte Cheeta an der Seite von Johnny Weissmüller und Lex Barker in "Tarzan" mit breitem Grinsen für die friedliche Koexistenz von Mensch und Tier. Zwölf Mal tat er das, insgesamt in 50 Filmen spielte er, seit 1967 ist er in Rente.

Das hat damit zu tun, dass Hollywood den damals 35 Jahre alten Affen aufs Altenteil schickte - mit gewisser Berechtigung. "In der Filmindustrie ist für Schimpansen in der Regel mit zehn Jahren Schluss", sagt Westfall. Danach würden sie oft bockig. Cheeta dagegen sei im Alter ein "richtig lieber Kerl". Nur sei das damals nicht absehbar gewesen. Schimpansen werden bis zu 40 Jahren alt, in Gefangenschaft bis zu 60. Das Guinness-Buch der Rekorde führt Cheeta mit 76 Jahren als weltältesten Primaten. Johnny Weissmüller starb 1984, Mauren O’Sullivan, die Darstellerin der Jane, vor zehn Jahren.

Der Schimpanse, der ursprünglich Jiggs hieß, soll als Affenbaby von einem Tiertrainer in Liberia gefangen und am 9.April 1932 in die USA gebracht worden sein. Der Tag gilt als Geburtstag Cheetas, den er für gewöhnlich mit Süßstofftorte und Cola Light feiert, seit bei ihm Altersdiabetes diagnostiziert wurde. Lange erlag er den Risiken des Ruhms, rauchte Kette, trank Bier.

"Tarzan"-Schimpanse
:Cheeta lässt es ruhig angehen

Früher hangelte sich Cheeta an der Seite Johnny Weissmüllers von Liane zu Liane, heute lässt es der Schimpanse ruhiger angehen. In Kalifornien lebt er in einem Heim für betagte Filmaffen.

Sein Vorbesitzer Tony Gentry hat viel durchgehen lassen. "Er konnte nicht anders, Cheeta war wie ein Sohn für ihn", sagt Dan Westfall. Als Gentry starb, adoptierte sein Neffe den Affen. Seit 1992 lebt er mit ihm und elf Artgenossen, die in Film, Fernsehen und Varietés gearbeitet haben, in Palm Springs, darunter Enkel Jeeter, 20, der einzige lebende Nachfahre Cheetas. Die Affen liegen aber derzeit so im Clinch, dass sie Kontaktsperre haben.

Ausreichend Obst, Gemüse, nährstoffreiches Trockenfutter und viel Zuwendung sei das Geheimnis des hohen Alters Cheetas. "Ich trinke und rauche nicht, also hat er kein Vorbild zum Imitieren mehr", sagt Westfall. Das wilde Starleben ist vorbei, auch seine Krankheit hat Cheeta akzeptiert. Wenn sein Besitzer zweimal am Tag mit Insulinspritzen anrückt, reckt Cheeta bereitwillig die Arme in die Luft.

Das Malen entdeckt

Im Alter hat er das Malen für sich entdeckt. Seine grobpinseligen Striche gehen als apestract art gegen eine Spende von 135 Dollar in alle Welt. "Malen passt zum natürlichen Instinkt der Schimpansen, Werkzeuge zu nutzen", sagt Westfall. Man müsse sich nichts vormachen, es sei nie ideal, ein wildes Tier gefangen zu halten. Lange habe man das in Hollywood ignoriert. Viele Affen landeten nach der Filmkarriere im Labor, der Rest sei so an Menschen gewöhnt und gedrillt, ihr Verhalten zu imitieren, dass sie sich nicht einmal mehr für den Zoo eigneten. "Tiere sollte man nicht mehr für Filme dressieren", sagt Westfall. In Zeiten digitaler Technik könne man ihnen die Qual ersparen.Die Affenforscherin Jane Goodall sieht Cheeta als "Botschafter aller Affen". Auf YouTube gibt es ein Video, in dem sie ihn auf Schimpansisch zum 74. Geburtstag grüßt. Goodall ruft: "Huo-huu-huu-huuuuu."

Ein reiches Leben in Hollywood schreit nach Memoiren und so sollen diese also im Herbst erscheinen. "Me Cheeta" heißen die fiktiven Erinnerungen, die ein britischer Ghostwriter auf 320 Seiten für Harper Collins verfasst hat. Esquire druckte Passagen vorab. Darin beschreibt Cheeta, wie er sich fit hält, wie es in Hollywood war und welch diebische Freude es ihm gemacht hat, der nackten Maureen O’Sullivan in "Tarzans Vergeltung" von 1934 in der Badeszene ihre Kleider zu stehlen.

Verleger ist Nicholas Pearson, der sich auch um die Werke der Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing kümmert. Allererstes Personal wird aufgeboten, auch weil Cheeta zeit seines Lebens Anfeindungen ausgesetzt war. Manche behaupten, dass er gar nicht in den Tarzan-Filmen mitgespielt habe. "Unsinn!", sagt Pearson. Im Namen des Affen sei viel Schindluder getrieben worden. Unverschämt sei es beispielsweise gewesen, dass ein anderer Schimpanse auf die Beerdigung von Johnny Weissmüller spazieren durfte. Auch der Affe, der im Aktuellen Sportstudio 1971 erst Johnny Weissmüller anpinkelte und dann seiner Frau die Perücke vom Kopf riss, war nur ein Cheeta-Double.

Hollywoodstar ohne Stern

Eine Sache aber, die der Ghostwriter herausgefunden hat, ist Dan Westfall nicht angenehm. "Cheeta ist womöglich jünger als angenommen", muss der Tierpfleger eingestehen. Es gebe berechtigte Zweifel am Geburtsjahr 1932. Es könne sein, dass er erst zwei Jahre nach "Tarzan, der Affenmensch" eingestiegen sei. Ohne Zweifel bleibe Cheeta aber mit Abstand der älteste Affe der Welt. Die 76 habe er aber vorsichtshalber von seiner Website www.cheetathechimp.org entfernt.

Filme, Musik, Memoiren und auch eine MySpace-Seite, auf der sich sogar Hillary Clinton als Freundin eingetragen hat - die Hollywoodkarriere ist perfekt, fast. Es fehlt noch der Stern auf dem Walk of Fame. Seit 20 Jahren kämpfen Fans dafür, sieben Mal ist ihre Petition von der zuständigen Chamber of Commerce abgelehnt worden, ohne Begründung. Matt Devlen bringt das auf die Palme. Der Schauspieler hat in diesem Jahr 11000 Unterschriften für Cheeta gesammelt, nun kam die Absage. Besonders demütigend sei, dass Lassie oder Kermit einen Stern haben, Cheeta als Großvater aller Filmtiere aber nicht. Er will eine neue Petition einreichen. In diesem Jahr ging der Stern an Tinkerbell aus Peter Pan. Matt Devlen nimmt das sehr mit: "Eine Elfe, ich bitte Sie!"

© SZ vom 31.07.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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