Sachsen-Anhalt:Massive Gewalt

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Die Leiche des 13-jährigen Fabian wurde am Montag am Ortsrand von Bad Schmiedeberg gefunden. Die Ermittler gingen zunächst von einem Unfall aus. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Der 13-jährige Fabian aus Sachsen-Anhalt ist offenbar von einem gleichaltrigen Freund erschlagen worden. Die beiden Kinder waren zum Spielen verabredet - nur einer der Jungen kam wieder nach Hause.

Von Anna Dreher, München

Für den gewaltsamen Tod des 13-jährigen Fabian aus Bad Schmiedeberg (Sachsen-Anhalt) ist offenbar ein gleichaltriger Freund verantwortlich. Nach ihren bisherigen Ermittlungen gehen Polizei und Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Junge mit mehreren Schlägen unter massiver Gewalt auf den Kopf seines Freundes eingewirkt haben könnte. "Das tatverdächtige Kind hat Angaben dazu gemacht, dass es diese Schläge durchgeführt hat", sagte Olaf Braun, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau, der Süddeutschen Zeitung am Mittwoch. "Noch ist aber nicht sicher, ob vielleicht noch andere Personen dabei waren, die von dem Jungen gedeckt werden könnten."

Derzeit sei davon auszugehen, dass es sich um eine "affektive Situation" gehandelt haben müsse. Möglicherweise sei ein Streit zwischen den Gleichaltrigen eskaliert, infolgedessen könnte es zu den tödlichen Schlägen gekommen sein. Zu seinem eigenen Schutz werde der tatverdächtige Junge momentan in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus behandelt. Eine weitere Befragung stehe aus. "Wie genau es zu all dem gekommen ist, können wir noch nicht sicher beurteilen", sagte ein Polizeisprecher.

Die beiden Jungen sollen sich gut gekannt haben und waren am Sonntag zum Spielen verabredet, die Familien wussten darüber Bescheid. Nachdem Fabian nicht nach Hause gekommen war, meldeten ihn seine Eltern als vermisst. Bereits zu diesem Zeitpunkt war der befreundete Junge als letzte Kontaktperson des Verschwundenen befragt worden. Die Polizei war zunächst von einem Unfall ausgegangen - auch nachdem die Leiche des Schülers am Montagmittag nach intensiver Suche mit Fährtenhunden und einem Hubschrauber am Hang eines Waldstücks am Ortsrand der Kleinstadt zwischen Leipzig und Lutherstadt Wittenberg gefunden wurde.

"Anfangs haben wir auch ein Sexualdelikt nicht ausgeschlossen", sagt Staatsanwaltssprecher Braun. "Bei der Obduktion hat die Gerichtsmedizin jedoch massive Gewalteinwirkung auf den Schädel des Jungen festgestellt, sodass es sich bei der Tat um eine Fremdeinwirkung gehandelt haben muss."

Nach der Obduktion war der zunächst nur als Zeuge vernommene Freund des Opfers erneut befragt worden. Am Mittwoch habe er schließlich die entscheidenden Aussagen gemacht. Die Ermittlungen dauern dennoch an, sagt Braun - um die Angaben des Kindes zu überprüfen. Verhaftet oder verurteilt werden kann der 13-Jährige nicht. In Deutschland sind Minderjährige erst ab dem vollendeten 14. Lebensjahr strafmündig. Im Strafgesetzbuch heißt es dazu unter Paragraf 19 ("Schuldunfähigkeit des Kindes"): "Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist."

Fälle folgenschwerer Straftaten von Kindern gibt es dennoch einige. So hatte etwa im Februar 2014 ein zündelnder 13-Jähriger einen Brand mit drei Todesopfern in einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft ausgelöst; im November 2004 erschoss ein zwölfjähriger Schüler aus Braunschweig im Streit um schlechte Noten seine Eltern und verletzte sich anschließend selbst mit einem Kopfschuss schwer; im Juli 2000 starb eine 75-Jährige Rentnerin an ihren Verletzungen, nachdem sie einen Monat zuvor von einem 13- und einem 14-Jährigen in Augsburg überfallen worden war; im April 2000 tötete ein 13-jähriger Gymnasiast in einem Ferienlager in Hessen nach einem Streit beim Billardspiel einen 20-Jährigen mit einem Messerstich ins Herz.

Dass ein Kind ein Kind tötet, sei jedoch äußerst selten, sagte der Wiesbadener Kriminologe Rudolf Egg der Deutschen Presse-Agentur. Vielleicht einmal im Jahr komme so etwas in Deutschland vor. Egg weist darauf hin, dass Kinder schwerwiegende Folgen ihres Handelns auch schon abschätzen könnten, bevor sie strafmündig sind: "Die Altersgrenze bedeutet nicht, dass sie kein Schuldbewusstsein hätten oder nicht wüssten, was sie tun." Der Gesetzgeber habe nur festgelegt, dass für diese Kinder nicht die Strafjustiz zuständig ist, sondern die Eltern, Erziehungsberechtigten und Jugendämter.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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