Sachkundenachweise:Hobby Großkaliber

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Der SSV Hameln soll illegale Waffengeschäfte im großen Stil gemacht haben. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Waffenland Deutschland? Ein Schützenverein im niedersächsischen Hameln soll illegale Waffengeschäfte gemacht haben.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Der Schießsportverein Hameln 2000 wirbt auf seiner Website wie gehabt. "Direkt an der Autobahn A 2", heißt es da, Fotos zeigen den Schießstand und Waffen. "Sie interessieren sich für unser faszinierendes Hobby Großkaliberschießen?", fragt der Klub und schwärmt von "behördlich anerkannten Sachverständigen und Schießausbildern", steigenden Mitgliedszahlen und Erfolgen bei Meisterschaften. "Wir sprechen Deutsch, Englisch, Russisch, Italienisch und Türkisch", liest man. Im Angebot ist auch die "Sachkundeprüfung nach § 7 WaffG". Doch dieser SSV Hameln, der zur Deutschen Schießsport Union (DSU) gehört, gilt jetzt als Zentrum von illegalen Waffengeschäften im großen Stil.

Am Donnerstag meldete die Polizei Razzien in der niedersächsischen Stadt und anderen deutschen Städten. Der Ehrenpräsident und Kassenwart des SSV Hameln, Vincenzo B., wurde festgenommen. Ungefähr 90 Häuser und Wohnungen seien durchsucht worden, darunter 69 in Niedersachsen, andere in Berlin, Hamburg, Bayern und Nordrhein-Westfalen, berichtet Kathrin Söfker, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hannover. Dabei seien Beweismittel sichergestellt worden, darunter großkalibrige Schusswaffen. Die könnten zwar registriert gewesen sein, doch Verantwortliche des SSV Hameln stehen im Verdacht, die nötigen Sachkundenachweise verkauft zu haben.

Diese Dokumente bekommen Interessenten normalerweise nur nach einer Prüfung durch eine Kommission, wie sie der SSV Hameln anbietet. Danach und nach einjähriger Vereinszugehörigkeit kann eine Waffenbesitzkarte beantragt werden. Das erlaubt, eine großkalibrige Waffe gesichert im Haus zu haben; für ein Tragen außerhalb der eigenen vier Wände bräuchte es außerdem einen Waffenschein. In diesem Fall soll mit Sachkundenachweisen also bundesweit gehandelt worden sein, für einen Preis von 1000 Euro und mehr pro Papier. Die Justiz ermittelt wegen Bestechung, Bestechlichkeit und Falschbeurkundung in besonders schweren Fällen. 100 Verfahren sind anhängig. Waffenland Deutschland? Es heißt, eine Million Deutsche besitzen mindestens eine Waffe, für die ein großer Waffenschein verlangt wird. Die Nachfrage nach Pfefferspray oder Schreckschusspistolen stieg zuletzt erheblich.

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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