Versaute Freizeit, Be Famous, Amateurstars 1-3: Pornofilme machten sie reich und berühmt, sorgten dafür, dass sie sich von Carolin Wosnitza in die Kunstfigur "Sexy Cora" verwandelte. Bis irgendwann die Grenzen zwischen Job und Leben nicht mehr erkennbar waren, der Wunsch nach vermeintlicher körperlicher Perfektion immer stärker wurde. Bis zu ihrer fünften Brustvergrößerung im Alter von nur 23 Jahren.
Die 1,57 Meter kleine und 47 Kilo leichte Frau will sich ihre Oberweite auf die beinahe surreale Körbchengröße 70G aufblasen lassen. Bei der Operation in einer Hamburger Privatklinik am 11. Januar 2011 kommt es jedoch zu Komplikationen, Carolin fällt ins Koma. Neun Tage später ist sie tot, zwei Jahre ist das jetzt her. Von diesem Montag an muss sich die bei der Schönheitsoperation zuständige Anästhesistin vor dem Hamburger Landgericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten.
Doch wie konnte Carolin Ebert überhaupt zu "Sexy Cora" werden? Wie konnte aus dem Mädchen, das in einem kleinen Dorf bei Schwerin aufgewachsen war und Krankenschwester werden wollte, Deutschlands erfolgreichste Amateurpornodarstellerin werden? Im Fall von "Sexy Cora" wohl aus zwei Gründen: Da war einerseits ihr unbedingter Wunsch, jemand zu sein, aus ihrem mecklenburgischen Kaff herauszukommen. Und andererseits er, Tim Wosnitza, ihr Ehemann, später auch ihr Manager. Der auch jemand sein wollte. Unbedingt.
Startschuss für die Pornokarriere
An Carolin habe alles gestimmt, sollte dieser dem Stern (2011, Nr. 23) Monate nach deren Tod sagen - Motivation, Optik, Charisma: "Das ganze Paket eben." Die beiden lernen sich 2005 kennen, für die gerade 18-Jährige scheint der bullige Bodybuilder Tim den Weg raus aus ihrem Dorf zu weisen. Eine Woche später zieht sie zu ihm nach Hamburg, in die große Welt. Dort geht Carolin auf den Strich, flaniert knapp bekleidet über die berühmt-berüchtigte Herbertstraße.
Bis ein Freier nach Bildern von ihr fragt. Für Tim Wosnitza ist es die Geschäftsidee, die sie beide reich machen soll. Er dreht ein kurzes Video von seiner Freundin, stellt es bei einem Erotikportal online. Tim hat sich schon vorher mit den Gesetzen des World Wide Web befasst, er weiß, wie man mit Klicks Geld macht. Und es klappt: Nach wenigen Wochen hat das Video der nackten Carolin 130 Euro eingespielt, wie ihr späterer Ehemann dem Stern im Juni 2011 bestätigt. Es ist der Startschuss für die Pornokarriere von Tim Wosnitza und Carolin Ebert, die wenig später nur noch unter ihrem Künstlernamen bekannt ist: "Sexy Cora".
Es ist eine Marktlücke, in die die beiden, mittlerweile die Eheleute Wosnitza, da stoßen. Amateurpornografie boomt, und sie schneiden sich mehr als ein großes Stück vom Voyeurismus-Kuchen ab. Die Methode: Männliche Darsteller können sich bewerben - den Sex, der zuvor Geld gekostet hat, gibt es nun umsonst. Die Darsteller müssen nur eine Erklärung unterschreiben, wonach sie sämtliche Bildrechte an das Ehepaar Wosnitza abtreten. Und die Konsumenten haben das Gefühl, auf dem Bildschirm dem Typen von nebenan beim Kopulieren mit Carolin zuzusehen.
Tim pusht die Marke "Sexy Cora" in kürzester Zeit von null auf 100: Sie bekommt ihre eigene Online-Präsenz, dazu Seiten, auf denen nicht nur Cora beim Sex zu sehen ist, sondern auch Mädchen mit Namen wie DirtyTracy oder Pussykate. Dazu twittert Carolin für eine immer weiter wachsende Fangemeinde täglich mehrfach, was sie gerade wo und mit wem treibt. Doch Tim sucht nach noch mehr Publicity.
Auf dem Hamburger Kiez versucht sich "Sexy Cora" an einem Weltrekord im Massen-Blow-Job, 200 Männer will sie mit dem Mund befriedigen. Nach 75 Herren versagt jedoch ihr Kreislauf, sie muss abbrechen. Für die Sache ist das egal, eine Meldung bei Bild ist die Aktion allemal wert. Dass Carolin diese öffentlichen Auftritte wenigstens zu Beginn scheut, scheint Tim egal zu sein. "Bei ihrem ersten öffentlichen Dreh wäre sie am liebsten weggelaufen", erzählt er 2009 bei einem Interview auf einer Pornomesse. "Ich habe ihr gesagt: 'Komm, zieh's durch.'"
Da stehen sie nun: die Porno-Prinzessin und ihr Manager-Macker. Carolins Körper ist mittlerweile zum Männer-Porno-Plastik-Traum getunt. Die Brüste von natürlichen 70B auf 70F aufgepumpt, dazu Tattoos am ganzen Körper, künstliche Mähne bis zum Po und falsche Fingernägel. Damit ist sie bereit für den größten Coup. Anfang 2010 zieht "Sexy Cora" ins Big-Brother-Haus ein. Da ist sie 22 Jahre alt.
Und genau dort, wo damit gar nicht zu rechnen ist, gerät das Bild der "Sexy Cora" plötzlich ins Wanken, wieder wegen eines Mannes: Tobi heißt er, gelernter Automechaniker aus Aschaffenburg. Er nimmt Carolin ernst, scheint sie als Mensch und nicht als Gelddruckmaschine zu mögen. Und die vermeintlich toughe Erotikdarstellerin verfällt in Selbstzweifel, Zweifel an ihrem Lebensweg.
"Was kann ich denn, außer die Beine breit machen?", fragt sie vor laufenden Kameras. "Ich habe doch nichts gelernt. Noch nie gab es Menschen um mich herum, die mich nicht nur als Objekt zum Geldverdienen gesehen haben. Das ist hier im Haus zum ersten Mal in meinem Leben anders."
Sextoy-Kollektion und Engagement am Ballermann
Ehemann Tim reist sofort nach Köln, wo der Big-Brother-Container steht, und holt seine Cora mit Anwalt und unter Androhung einer Klage wegen Freiheitsberaubung und Nötigung raus aus der Show. Sie kehrt zwar nach einer "Aussprache" mit ihrem Ehemann/Manager für kurze Zeit wieder in den TV-Container zurück. Da hatte Tim Woznitza sie jedoch längst wieder auf Linie gebracht - auf seine Linie.
Und die Klickzahlen und DVD-Verkäufe? Explodieren. Manager Tim wusste die Big-Brother-Popularität seiner Ehefrau/Klientin zu nutzen. Zu den Pornos kommt noch ein Engagement als Sängerin am Ballermann auf Mallorca. In Zusammenarbeit mit dem Erotik-Unternehmen Orion bekommt Cora ihre eigene Sextoy-Kollektion. Privat fährt die 23-Jährige mittlerweile einen pinkfarbenen Lamborghini Gallardo, auch ihr Ehemann geizt nicht mit Statussymbolen à la Porsche und Ferrari.
"Ich hätte sie niemals operiert", wird Peter Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Plastische und Ästhetische Chirurgie, wenige Monate später der Nürnberger Abendzeitung sagen. Da ist Cora schon tot. Beim Versuch, am 11. Januar 2011 ihre Brüste mit 800-Milliliter-Implantaten zum fünften Mal zu vergrößern, ist in der Hamburger Alster-Klinik etwas schiefgegangen. Coras Herz blieb stehen, nach mehreren Tagen im Koma stirbt sie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Die Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen gegen den behandelnden Chirurgen und die Narkoseärztin ein.
Angeklagt wird am Ende aber nur die Anästhesistin, der Chirurg Martin Koch arbeitet auch heute noch in der Hamburger Klinik. "Nach dem Einleiten der Vollnarkose soll sie nicht für eine ausreichende Beatmung über eine Sauerstoffmaske gesorgt haben", erklärt Staatsanwältin Nana Frombach die Anklage gegen die Ärztin. Der Sauerstoffmangel, der unbemerkt blieb, habe einen Herzstillstand ausgelöst. Darauf habe die Ärztin nicht mit den vorgeschriebenen Wiederbelebungsmaßnahmen reagiert. Die Alster-Klinik war vor dem Prozess auf Anfrage nicht zu einer Stellungnahme bereit.
Die Beerdigung von Carolin Wosnitza, stilecht im pinkfarbenen Sarg, inszeniert ihr Ehemann als Medienereignis. Über ihrem Grab auf einem Hamburger Friedhof thront ein riesiger Marmorengel. Tim hat danach vielfach in Interviews die Trauer über den Tod seiner Frau bekundet, das Geschäft indes wollte er nicht runterfahren. Im Gegenteil.
"Für uns geht es darum, ihr Lebenswerk aufrechtzuerhalten", sagt Tim bei einem TV-Auftritt Reportern von RTL II. Die Homepage von "Sexy Cora" bekommt einen schwarzen Trauerflor, die Vermarktungsmaschinerie der toten Pornodarstellerin läuft jedoch ungebremst weiter. Business as usual.
Ein Leben in zwei Tweets zusammengefasst
Und so sehr er in den vielen TV-Reportagen seine Trauer glaubhaft machen will, so sehr er beteuert, doch nur in ihrem, in Coras Sinne weiterzumachen. Es fällt schwer, Tim Wosnitza zu glauben, einem Mann zu glauben, der einen Monat nach Coras Tod begann, ihre Kleidung - getragen oder auch nicht - via Ebay zu verkaufen. Auch aktuell steht wieder ein Angebot im Netz. Leggings, Handschuhe, persönliche Aufzeichnungen von der toten Carolin - mit "Echtheitszertifikat". Über Twitter macht Witwer und Nach-wie-vor-Manager Tim Werbung dafür.
Der Kurznachrichtendienst ist es auch, der das Leben der Carolin Wosnitza in zwei kurzen Textnachrichten zusammenfasst. Am 9. Januar 2011 twittert sie als "Sexy Cora" ein Bild, das sie im durchsichtigen Unterhöschen zeigt; dazu heißt es an ihre Fans: "Mein Outfit für die Nacht ... Schlaft gut!!!" Am folgenden Tag schreibt sie vom selben Account, aber offensichtlich in ihrer Rolle als Carolin: "Der Wäschewachhund ;-)". Auf dem angefügten Bild ist ihr schwarzer Mops Diamond zu sehen, schlafend auf einem Wäschehaufen.
Am darauffolgenden Morgen fährt Tim seine Carolin ins Krankenhaus, wo ihr Busen auf Körbchengröße 70G vergrößert werden soll. Und es geht etwas schief.