Post von einem Mörder:"Ich habe einen Menschen getötet"

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Seit Jahren liefert sich ein Doppelmörder ein Versteckspiel mit der Polizei - auf dem Briefweg. Nun hofft sie im Saarland auf einen Massengentest.

Bernd Dörries

"Normalerweise", so schreibt er, "hätte ich mich nicht mehr gemeldet, aber ich möchte einiges klarstellen."

Mit einem Massengentest will die Polizei den Mörder finden: Er hatte in einem Brief gestanden, einen Menschen umgebracht zu haben. (Foto: Foto: dpa)

Es gab immer wieder etwas klarzustellen in den vergangenen Jahren. Einmal teilte er mit, dass er weder alt noch gebrechlich sei. Ein anderes Mal war der Mann nicht zufrieden, mit dem Bild, das die Medien von ihm zeichneten. Er sei doch kein Monster.

Es war kein Leserbrief; der Mann schreibt der Polizei, seit Jahren schon. Es kommt nicht oft vor, dass sich Mörder von selbst melden. Diesmal glauben die Ermittler aber, dass es so ist. Sie glauben auch zu wissen, wo der Unbekannte wohnt. In Bereich der Gemeinde Weiskirchen im Saarland. Sie kennen seine DNS und seine Fingerabdrücke. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, sagen die Ermittler.

Die Region Weiskirchen ist eine beschauliche Gegend, Altersheime und Kureinrichtungen haben sich hier angesiedelt. Und wahrscheinlich ein Mörder im Ruhestand, der aber ziemlich unruhig ist. Der den Drang hat sich mitzuteilen, 46 Jahre nach der Tat. "Ich bin alt und krank, halte Rückschau auf mein Leben. Ich habe einen Menschen getötet", heißt es in einem von insgesamt sechs Briefen.

"Ich will mein Gewissen erleichtern"

Der erste kam im Jahr 2005 und war an die Polizei in Nürnberg adressiert. Ein Freund habe ihm einmal gestanden, zwei Morde begangen zu haben, schrieb da einer. Der Freund sei nun verstorben, also könne "die Akte jetzt ja geschlossen werden".

Natürlich fing nun erst alles an, es begann die Suche nach einem zweifachen Mörder, der im Jahr 1962 die 13-jährige Schülerin Lydia Schürmann bei Bielefeld umgebracht hat und acht Jahre später die Prostituierte Heiderose Berchner, 29, deren Leiche verstümmelt bei Ulm gefunden wurde.

Auf dem Briefpapier fanden die Ermittler DNS-Spuren, die auch am Tatort hinterlassen worden waren. Dort gab es Reifenspuren eines bestimmten Opeltyps, so dass die Ermittler davon ausgehen, dass der Gesuchte heute mindestens 64-Jahre alt ist.

In den folgenden Briefen gesteht der Gesuchte die Taten mehr oder weniger. "Ich will mein Gewissen erleichtern", schreibt er einmal. Die Polizei hält ihn aber schlicht für einen Egomanen. "In den Briefen wird ein sehr egoistischer Charakter offenbar, da er mit keinem Wort Mitleid erkennen lässt", sagt Chefermittler Knut Packmohr.

Immer wieder kamen Nachrichten des Gesuchten, die Fahndung stockte aber lange, es gab keinen entscheidenden Hinweis. Im vergangenen Jahr kam den Fahndern schließlich der österreichische Sänger DJ Ötzi zu Hilfe, indirekt zumindest.

Bei der Gemeindeverwaltung Weiskirchen ging im Juli 2007 ein Schreiben ein, in dem der anonyme Absender wegen eines geplanten Auftritts von DJ Ötzi droht: "Wenn der auf die Bühne geht, wird er abgeknallt." Das Konzert wurde nur in einer Teilauflage eines lokalen Wochenblattes angekündigt, weshalb sich die Polizei sicher ist, dass der Täter im Bereich Weiskirchen wohnen, oder sich dort länger aufhalten muss.

Altenheime wurden informiert, Ermittler fragten herum, ob jemand mitbekommen habe, dass ein älterer Herr sich abfällig über DJ Ötzi geäußert habe. Eine heiße Spur ergab sich nicht, was im Umkehrschluss nicht heißen muss, dass DJ Ötzi überall beliebt ist.

Auf der richtigen Spur

Seit Donnerstag versucht die Polizei Saarbrücken den unbekannten Mörder mit einem Massen-Gentest ausfindig zu machen: Etwa 5000 Männer über 64 Jahre aus dem Raum Weiskirchen sind zunächst freiwillig vorgeladen, notfalls können Zwangsmaßnahmen angeordnet werden.

Am ersten Tag der Aktion seien die ersten 24 erschienen, sagte ein Polizeisprecher. Es war nicht der engere Kreis der Verdächtigen, sondern diejenigen, die sich trotz Presserummels bereit erklärt hatten, ins Polizeipräsidium zu kommen. Auffälligkeiten hätten sich nicht ergeben, sagte der Sprecher.

Der Gen-Test war schon vor Monaten angekündigt worden, die Polizei setzt auf eine möglichst öffentliche Fahndung, um den Täter unter Druck zu setzen. Der meldete sich auch wieder, Ende Oktober schrieb er diesmal direkt an die Polizei in Saarbrücken und meinte, das mit der Drohung gegen DJ Ötzi sei nur eine Ablenkung gewesen, er lebe gar nicht in Weiskirchen.

Nun sind sich die Ermittler erst recht sicher, auf der richtigen Spur zu sein. Es sei nur noch eine Frage der Zeit. Oder von ein paar Briefen.

© SZ vom 07.11.2008/bre - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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