PIP-Gründer im Visier der Justiz:Undurchschaubar und uneinsichtig

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"Die sind besser als alle anderen": Im Skandal um minderwertige Brustimplantate kommen auf den Gründer des umstrittenen Herstellers PIP, Jean-Claude Mas, Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe zu. Doch das Vermögen der französischen Firma scheint verschwunden zu sein - ebenso wie sein privates.

Jeanne Rubner

Warum sitzt dieser Mann nicht in Untersuchungshaft? Das dürften sich viele Opfer des Prothesen-Betrügers Jean-Claude Mas schon seit längerem gefragt haben. Am Donnerstagmorgen war es dann doch so weit: Gendarmen holten den Gründer der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) aus der Villa seiner Ex-Lebensgefährtin im südfranzösischen Badeort Six-Fours-les-Plages. Bis Mittag dauerte die Durchsuchung des Anwesens, wo Mas sich von einer Operation erholte, wie sein Anwalt sagte.

Bizarrer Betrüger: Polizeifoto von PIP-Chef Jean-Claude Mas. (Foto: REUTERS)

Seit Anfang Dezember kommt, scheibchenweise, die Wahrheit über den Skandal fehlerhafter Brustimplantate ans Licht. Zwar hatten schon vorher Hunderte Frauen die Firma PIP verklagt - wegen Beschwerden nach gerissenen Silikonkissen. Doch erst als eine Selbsthilfegruppe Krebserkrankungen bei Frauen mit PIP-Brustimplantaten anprangerte, schaltete sich Frankreichs Gesundheitsminister Xavier Bertrand ein.

"Wir wollen wissen, wo das Vermögen ist"

Den betroffenen Frauen wurde empfohlen, die Silikonkissen herausoperieren zu lassen. Sie sind mit einem minderwertigen Gel gefüllt und reißen leichter als andere Implantate. Insgesamt dürften weltweit 400.000 bis 500.000 Frauen ein Silikonkissen der Marke PIP tragen.

Dass Mas bis Donnerstag auf freiem Fuß war, fanden auch Anwälte der Opfer merkwürdig. "Wir wollen wissen, wo das Vermögen der Firma und von Mas ist", sagte Christine Ravaz, eine Anwältin, und erhob Klage gegen den Firmengründer und seine frühere Lebensgefährtin. Das war, als Mas gesagt hatte, er habe nur 500 Euro auf dem Konto und beziehe eine Rente von 1650 Euro monatlich.

Das ist purer Zynismus. Denn die idyllisch unter Kiefern gelegene Mas-Villa dürfte mindestens eine Million Euro wert sein. Der Ex-Unternehmer hatte sie 2010, ungefähr zu der Zeit, als er Insolvenz anmeldete, seiner Ex-Freundin überschrieben. Was er sonst noch an Vermögen hat, ist so schwer durchschaubar wie die Konstruktion seines Unternehmens.

Es befand sich in der Hand von zwei Luxemburger Briefkastenfirmen. Beide werden derzeit liquidiert, und ihre Geschäftsführer sind tot. Der eine hat sich 2007 umgebracht, der andere starb wenige Monate später an einer Überdosis Drogen.

Zudem gab es einen Geldgeber in den USA, den Mas 2003, nachdem französische Banken ihm keinen Kredit mehr gewähren wollten, aufgetan hatte. Der in Delaware ansässigen Heritage Worldwide gehörte PIP zuletzt zu 94 Prozent, allerdings steckten hinter dem US-Fonds wiederum die zwei Luxemburger Firmen. Bei zumindest einer der beiden sind laut Handelsgericht von Toulon Mas und seine Ex-Freundin als Nutznießer eingetragen.

Der Mann, der den Deal zwischen Heritage und PIP einfädelte, ist ebenfalls tot - er starb im vergangenen Jahr bei einem Motorradunfall. Dass drei Menschen, die in Mas' Geschäfte verwickelt waren, vorzeitig starben, ist zumindest bemerkenswert.

Wo wie viel PIP-Geld lagert ist wichtig - schließlich kommen auf Jean-Claude Mas Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe zu. Dass er von Geld etwas verstand, muss man annehmen: Der einzige Grund für die Fabrikation der Billigprothesen sei der Profit gewesen, erklärte kürzlich der technische Direktor von PIP.

Das medizinische Gel kostet 35 Euro pro Liter, das billige Industrieprodukt, das Mas verwendete, fünf Euro. Bei 100.000 Prothesen habe das einen Gewinn von einer Million Euro bedeutet. Die Verantwortung für den Betrug lag nach Aussagen von Mitarbeitern bei Mas. Er zog alle Fäden und soll sehr autoritär gewesen sein.

Dass Mas nun endlich in Gewahrsam genommen wurde, könnte auch auf Druck der Regierung geschehen sein. Bis zuletzt hatte der Mann nicht nur seine Opfer verhöhnt ("Sie klagen ja nur wegen ein paar Euro") und den TÜV Rheinland, der das Unternehmen prüfte ("Er kündigte sein Kommen immer zehn Tage vorher an"), sondern auch den Gesundheitsminister.

Mas ließ wissen, dass er es für Blödsinn hielt, dass man seine Prothesen entfernen solle. "Die sind besser als alle anderen", sagte er. Und: Der Minister sei kein Wissenschaftler.

Aktualisierung: Jean-Claude Mas wurde am Donnerstagabend gegen eine Kaution von 100.000 Euro wieder auf freien Fuß gesetzt. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet, zuvor war sogar der Vorwurf der fahrlässigen Tötung untersucht worden.

© SZ vom 27.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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