Pilger in Irland:Unterbelichtet

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Hunderte Pilger wollten im irischen Wallfahrtsort Knock in die Sonne starren, um die Jungfrau Maria zu sehen - dann regnete es.

Wolfgang Koydl

Noch nicht mal auf die heilige Jungfrau Maria ist noch Verlass. Pünktlich um 15 Uhr hätte sie erscheinen sollen. Dies hatte sie verbindlich ihrem Vertrauensmann auf Erden mitgeteilt. Wie schon die beiden vorherigen Male würde sie sich auf wundersame Weise all jenen zeigen, die in den irischen Wallfahrtsort Knock kommen und dort fest und unverwandt in die Sonne starren würden.

Die einzige "echte" Marienerscheinung datiert aus dem Jahre 1879: Souvenirshop im Pilgerort Knock. (Foto: Foto: Reuters)

Doch als es endlich so weit war, da blieb nicht nur die Muttergottes fern, sondern auch die Sonne. Dies war kein Wunder, denn Knock liegt in der nordwest-irischen Grafschaft Mayo, und dort sind Sonnenstrahlen in den Wintermonaten fast ebenso rar wie Marienerscheinungen. Die paar Hundert Gläubigen, die dennoch dem Aufruf des Dubliner Glaubensheilers und Geisterbeschwörers Joe Coleman gefolgt waren, wurden von Regengüssen bis auf die Haut durchnässt.

Im Oktober hatte Coleman zum ersten Mal für eine Begegnung mit Maria nach Knock gerufen - sehr zum Verdruss des katholischen Klerus, der sich nur schwer der nicht-christlichen Konkurrenz erwehren konnte. Denn der Wallfahrtsort beruft sich selbst auf eine "authentische" Erscheinung aus dem Jahre 1879. Insgesamt 15 Personen bezeugten damals, Maria, ihren Ehemann Josef und Johannes den Täufer gesehen zu haben - übrigens bei strömenden Regen, wie zeitgenössische Chroniken vermeldeten.

Heute ist Knock mit 1,5 Millionen Pilgern im Jahr, einem eigenen Fughafen und einer Basilika für 10.000 Gläubige einer der größten Wallfahrtsorte nach Lourdes und Fatima. Papst Johannes Paul II. und Mutter Theresa besuchten den Ort.

Der von vielen als Scharlatan gesehene Coleman, der in einer sogenannten Klinik bei Dublin Krankheiten durch Handauflegen zu heilen verspricht und die Zukunft vorhersagt, hatte bei seinen ersten beiden Marienerscheinungen im Oktober und November Zehntausende nach Knock gelockt. Viele berichteten, wie die Sonne vor ihren Augen zu tanzen begonnen und die Farbe verändert habe. Klar wollten einige voller Verzückung die Umrisse der heiligen Jungfrau erkannt haben.

Das sei kein Wunder, sondern Dummheit, konterten die örtlichen Bischöfe von Tuam und Killaloe, Michael Neary und Willie Walsh. Medizinische Rückendeckung erhielten sie von einem Professor der Augenheilkunde aus Galway. Solche "Visionen", so erklärte Eamon O'Donoghue, stellten sich bei jedem ein, der zu lange mit bloßem Auge in die Sonne blicke. Der Befund laute auf Sonnen-Retinopathie und könne unbehandelt zur Erblindung führen - ein bizarrer Dreh, so konnte sich der Mediziner nicht verkneifen hinzuzufügen, wenn man bedenke, dass Gläubige wallfahrten, um geheilt zu werden.

Auf YouTube ist ein Clip der vorletzten Erscheinung zu bewundern. Die Kamera ist in die Sonne gerichtet, im Hintergrund sind das Gemurmel, Gebete und die Rufe einer Menschenmenge zu hören. Der Film, so urteilte ein Spötter, sei eindeutig überbelichtet. Die Leute ringsherum hingegen erschienen ihm eher als das Gegenteil - unterbelichtet.

© SZ vom 07.12.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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