Peking: Rückkehr zum Morgensport:Hüpfen und arbeiten

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Weil die Chinesen immer wohlhabender und dicker werden, greifen die Behörden in Peking auf Mao Tse-tungs Methoden zurück - und verordnen ihren Arbeitern wieder die kollektive Sportstunde vor der Schicht.

Jetzt hüpfen sie wieder. Nach einer dreijährigen Pause haben die Behörden der chinesischen Hauptstadt Peking die gemeinsame Morgengymnastik an der Arbeitstätte zugunsten der Volksgesundheit wieder eingeführt. Denn die Chinesen werden immer wohlhabender - und dicker.

Weil im Gegensatz zu diesen Damen immer weniger Bewohner Pekings freiwillig Sport treiben, will der Staat seine Arbeiter wieder zum Morgensport verpflichten. (Foto: dpa)

"Junge Leute essen viel und sitzen den ganzen Tag am Computer. Sie wollen keinen Sport treiben", sagt der Immobilienverwalter Liu Tao, der von seinem Arbeitgeber auserkoren wurde, die offizielle Übungsfolge zu lernen und an seine Kollegen weiterzugeben. "Diese Bewegung ist gut für Körper und Geist", fügt der 28-Jährige hinzu, bevor er wieder in die Reihe der Menschen zurückkehrt, die zu "Eins, zwei, drei vier!"-Rufen hüpfen.

Die kollektive Bewegung war einst das Steckenpferd von Revolutionsführer Mao Tse-tung. Er rief das morgendliche Gruppenturnen 1951 ins Leben. Es gibt eine festgelegte Übungsabfolge, die passende Musik kommt vom staatlichen Hörfunk. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich die Sportstunde und enthielt schließlich traditionelle chinesische Bewegungen aus dem Kung Fu genauso wie Elemente aus Aerobic oder Bowling.

Vor den Olympischen Sommerspielen in Peking 2008 wurde das Ritual aber eingestellt: Zum einen wollten die Behörden der Hauptstadt sich ganz auf die Vorbereitung des Großereignisses konzentrieren - zum anderen hatte das Interesse der Bevölkerung drastisch nachgelassen.

Diesmal aber soll nicht revolutionärer Schwung, sondern die Einsicht in den gesundheitlichen Nutzen die Menschen vom Sinn der Übungen überzeugen. Der neue Wohlstand schlägt sich auch im Reich der Mitte in einer umfangreicheren und fetthaltigeren Ernährung sowie einem Mangel an Bewegung nieder. Krankheiten, die durch diese Lebensweise gefördert werden, wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Probleme sind auf dem Vormarsch.

Dem will der Pekinger Gewerkschaftsverband entgegensteuern. Bis 2011 soll die Morgengymnastik in allen staatlichen Betrieben verpflichtend sein - 60 Prozent aller Arbeiter sollen daran teilnehmen. Zu diesem Zweck wollen die Behörden rund 5000 Lehrer ausbilden, die die Übungen vorturnen.

Die Schrittabfolge der Morgengymnastik ist festgelegt, die Musik kommt vom staatlichen Rundfunk. (Foto: Archivbild: dpa)

Der 64-jährige Zhang Zhenying ist von der Idee begeistert. "Ob Rentner oder Schüler, an freien Tagen und auf Reisen - diese Übungen kann man immer machen und sie sind so wohltuend", sagt der Turnlehrer, "das muss ja nicht nur im Büro sein".

Einige Firmen in der chinesischen Hauptstadt haben ihre Mitarbeiter schon vor dem Inkrafttreten der offiziellen Verpflichtung zur gemeinsamen Morgengymnastik verdonnert. Dies gilt auch für den Immobilienmakler Yao Xuesong, der morgens um 8.30 Uhr mit seinen Kollegen auf dem Gehsteig vor seinem Büro brav trainiert. Die Übungen erinnern an einen Tanz und machen Yao sichtlich Freude. "Ich fühle mich jeden Tag nach diesen Übungen besser. Und die Kollegen verstehen sich auch besser", versichert er.

Aber nicht alle sehen so begeistert aus wie Yao. Vielen sind lange Arbeitszeiten und Stress im Job vielleicht auch ohne die Turnpflicht genug.

© Marianne Barriaux, AFP/kat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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