Olympia und die Prostitution:Streit um besondere Bedürfnisse

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Athen möchte während der Spiele 2004 die Beschränkungen für das älteste Gewerbe der Welt lockern. Das aber erregt die orthodoxen Bischöfe.

Christiane Schlötzer

(SZ vom 02.07.2003) - Die griechische Siegesgöttin Nike ziert die Olympischen Medaillen. Um weibliche Olympia-Trophäen ohne Siegerpose und Götterglanz sorgt sich die griechisch-orthodoxe Kirche. "Überraschung und Bestürzung" äußert die Synode der Bischöfe über die Absicht der Stadt Athen, die strengen Vorschriften für Prostitution in der Metropole während der Olympischen Spiele 2004 zu lockern.

Diesen Vorstoß des Stadtrats bei der Regierung nennt die Kirchenführung "würdelos": Athen präsentiere sich als Metropole, die den Sex-Tourismus fördere, "obwohl wir doch unsere Kultur demonstrieren wollen", wettert sie.

Auf die Kirchen-Kritik reagiert das Rathaus peinlich berührt. Die Kirche sei "falsch informiert", heißt es in einer Erklärung. Es gehe dem Stadtrat nur darum, "Regelungen" zu klären, unter denen legale Bordelle in der Stadt arbeiten dürften, um den illegalen Sex-Markt in der Fünf-Millionen-Stadt besser unter Kontrolle zu bringen.

Wachsende Kriminalitäts-Sparte

Der Streit um die olympischen Vorbereitungen auf dem Feld der Fleischeslust wirft ein Schlaglicht auf die in Griechenland am stärksten wachsende Kriminalitäts-Sparte: illegale Prostitution. Tausende junger Frauen aus den Balkanländern und der ehemaligen Sowjetunion kommen jedes Jahr auch in dieses EU-Land, geködert mit Versprechungen auf lukrative Jobs in irgendeiner Strandbar. Sind sie im Land, sind sie Pass und Papiere los. Die Karriere in einem Sex-Club oder einer Table-Dance-Bar kann beginnen.

Auf sechs Milliarden Euro schätzt der Kriminologe Grigoris Lazos die seit 1990 summierten Umsätze in dem boomenden Business in seinen Land, das der legalen Prostitution enge Grenzen zieht, die illegale aber nur lax verfolgt.

Im Dezember 2001 verfasste die Regierung ein Gesetz gegen Menschenhandel, das in Europa Vorbildcharakter erhalten sollte. Jüngst wurde sie durch eine Rüge des US-Außenministeriums daran erinnert.

Daraufhin wurde rasch dem Justizminister ein Dekret zur Unterschrift vorgelegt, damit das "progressivste" Gesetz schleunigst in Kraft tritt. Es soll mehr Handhabe gegen Frauen-Händler geben, mit Haftstrafen bis zu zehn Jahren. Allerdings können Prozesse in Griechenland fast genauso lang dauern, "im Durchschnitt acht Jahre", wie die Zeitung Kathimerini schrieb.

Kein griechisches Spezialproblem

Nun ist illegale Prostitution ist kein griechisches Spezialproblem. Die Debatte über das Gesetz aber hat Eigenheiten der alltäglichen Moral im Land ans Licht gebracht. Kriminalitäts-Experte Lazos wollte der Regierung eigentlich empfehlen, auch die Kunden illegaler Sex-Arbeiterinnen zu bestrafen.

"Damit aber hätten wir die Büchse der Pandora geöffnet", sagte Lazos. Denn etwa jeder zweite verheiratete Grieche besucht angeblich regelmäßig Prostituierte. "Verfolgen wir die Männer, zerbrechen wir viele Familien", zitierte ihn Athens News.

So hat die Bischofs-Synode womöglich mehr ihre Schäfchen im Blick, wenn sie die Stadt Athen wegen der olympischen Vorsorge kritisiert. Ein Sprecher des Stadtrats bekräftigte am Dienstag im Rundfunk: "Wir müssen ein Problem lösen."

Die Behörde will den Frauen erlauben, zwischen 13. und 29. August 2004 in kleinen Hotels zu arbeiten. Diese "Eros-Center" sollen nach Medienberichten nicht nahe bei Sportanlagen, Schulen und Kirchen liegen.

Siegesgöttin Nike muss sich für Athen 2004 auch etwas Neues gefallen lassen: Bislang zeigten die Medaillen eine sitzende Göttin. Auf den neuen darf sie aufstehen.

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