New Orleans:Unruhe vor dem Sturm

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Drei Jahre nach Katrina: New Orleans bereitet sich mit großer Sorge auf den drohenden Hurrikan Gustav vor - und hofft, dass der Sturm nicht weiter an Stärke gewinnt.

Christian Mayer

Für die Menschen in New Orleans muss es ein Schock sein, ein Déjà-vu-Erlebnis der gespenstischen Art. Genau drei Jahre nach dem katastrophalen Hurrikan Katrina nähert sich abermals ein tropischer Wirbelsturm der Stadt: Gustav könnte nach Berechnungen des Nationalen Hurrikan-Zentrums in Miami am Montag die Küste des US-Bundesstaats Louisiana erreichen.

Erinnerungen an Bilder wie dieses vom September 2005 ruft Wirbelsturm Gustav bei den Bewohnern von New Orleans hervor. Genau drei Jahre nach Katrina bereitet sich die Stadt auf Gustav vor. (Foto: Foto: AFP)

Mit wachsender Sorge verfolgen die Bewohner der gerade wieder restaurierten Stadt, dass der Sturm in Haiti und der Dominikanischen Republik bereits 23 Menschen in den Tod gerissen hat. Dieses Mal wollen sie gewappnet sein, nachdem Katrina vor drei Jahren die Stadt weitgehend verwüstet hatte - 1500 Menschen kamen damals ums Leben, Zehntausende mussten aus ihren Häusern fliegen, ganze Stadtviertel wurden über Nacht aufgegeben. Besonders ärmere Bewohner verloren oft ihre ganze Existenz, ein Politikum, das zuletzt auch die Regierung in Washington auf den Plan rief, auch wenn die nationale Hilfe sehr schleppend lief.

Schon jetzt gibt es erste Hamsterkäufe, besorgte Bürger legen die Hotlines lahm, und die US-Medien sind wegen des Jahrestages ohnehin schon nach New Orleans gereist - es herrscht Unruhe vor dem Sturm. Angesichts der aufgewühlten Stimmung sah sich der Bürgermeister von New Orleans, C. Ray Nagin, bereits gezwungen, den Nominierungsparteitag der Demokraten in Denver kurzfristig zu verlassen und sofort ins Rathaus zurückzukehren.

"Es ist noch zu früh, um vorauszusagen, wo und wie stark der Hurrikan zuschlagen wird", sagt Nagin. Zugleich fordert er die Bürger auf, sich auf der städtischen Internetseite ständig über die neuesten Entwicklung des Hurrikans und über Evakuierungspläne zu informieren.

Dieses Mal wollen die Politiker, die im Fall Katrina durch wochenlange Untätigkeit und mangelhaftes Krisenmanagement die Lage nur verschlimmerten, den Eindruck von Entschlossenheit vermitteln. Für eine Evakuierung sei alles vorbereitet, stellt der Katastrophenschutz-Beauftragte Jerry Sneed klar.

Sollte der Sturm auf der Hurrikan-Skala die Stufe 3 erreichen, was einer Windgeschwindigkeit von etwa 180 Kilometer pro Stunde entspricht, will die Stadtverwaltung die Evakuierung in die Wege leiten. Bei 480.000 Einwohnern in New Orleans und 1,3 Millionen Menschen im Ballungszentrum wäre das wohl eher eine theoretische Möglichkeit im Extremfall.

Neue Pumpen, alte Sorgen

Seit Katrina kann sich kein Politiker mehr erlauben, eine drohende Naturkatastrophe zu unterschätzen. Der Gouverneur des Bundesstaates rief sicherheitshalber den Notstand aus. 700 Busse und Eisenbahnzüge stünden bereit, um notleidende Menschen aus der Gefahrenzone in sicheres Gebiet zu bringen, sagte Bobby Jindal.

Dieses Mal, versichert der 37-jährige Sohn indischer Einwanderer, müsse kein Mensch mehr vor einer Überflutung Angst haben. Pumpen, Dämme und Flutschutz-Anlagen seien auf dem neuesten Stand, anders als bei der Katastrophe 2005.

In der Stadt am Mündungsdelta des Mississippi sind die Schäden, die Katrina vor drei Jahren angerichtet hat, noch immer spürbar. 800 Millionen Dollar fehlen bis heute, um die Reparatur von Wasserleitungen, Straßen und öffentlicher Gebäude zu vollenden, beklagt Bürgermeister Nagin.

Unermüdlich fordert er von der Bundesregierung in Washington weitere Hilfsleistungen. Während sich die Stadt nun darauf hofft, dass Gustav auf seinem Weg durch den Golf von Mexiko nicht noch an Wucht gewinnt, gedenken die Menschen in New Orleans der Opfer von 2005.

Auf einem leeren Grundstück entsteht gerade eine mit privaten Spenden und öffentlichen Mitteln finanzierte Gedenkstätte. Geplant sind dort sechs Mausoleen; stellvertretend für viele andere sollen dort 85 Tote ihre letzte Ruhe finden, deren Angehörige kein Geld für die Beerdigung hatten.

Jazztrompeter Irvin Mayfield Jr. beispielsweise hat seinen Vater vor drei Jahren verloren. Er freut sich nun über die baldige Einweihung, die mit einem Trauermarsch mit New-Orleans-Jazz gefeiert werden soll: "Endlich denkt man an die Opfer, und man erweist ihnen die gebührende Ehre. Das spricht Bände."

© SZ vom 29.08.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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