Neuer Hauptbahnhof:Wien-Mitte

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Der neue Hauptbahnhof am Südtiroler Platz in Wien erwartet von diesem Montag an 120 000 Reisende täglich. (Foto: Ronald Zak/AP)

Österreichs Hauptstadt hat jetzt auch einen Mega-Bahnhof mit Einkaufs- und Fressketten. Damit endet vor allem für Reisende aus dem Ausland eine Ära: Der Ausstieg am legendären Westbahnhof ist Geschichte.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Als der Bau des Wiener Hauptbahnhofs in Angriff genommen wurde, war der jetzige Kanzler noch Verkehrsminister, der jetzige Bürgermeister noch weit schlanker, und der jetzige, smarte Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) noch gar nicht im Amt. Auf dem offiziellen "Startschuss-Foto" von 2007 sieht man keinen klassischen Spatenstich, sondern den Minister, den Bürgermeister und einen ÖBB-Manager in schwarzen Anzügen, die jeweils einen hypermodernen, offenbar noch nie benutzten Presslufthammer in Händen halten. Das sieht ziemlich albern aus. Aber das Ergebnis ist eindrucksvoll.

An diesem Sonntag wurde am neuen Wiener Hauptbahnhof, der schon seit einem Jahr weitgehend fertig ist und auch schon angefahren wurde, endgültig der Vollbetrieb aufgenommen. Rund um den einstigen Südbahnhof, der 2009 abgerissen worden war, ist ein neuer Stadtteil im Entstehen. Und das Wahrzeichen das alten Bahnhofs, ein venezianischer, geflügelter Löwe, steht nun wieder inmitten eines vorerst noch ziemlich menschenleeren Mega-Bahnhofs. Der schaut wie alle modernen Infrastrukturprojekte auf der Welt aus: kühl, glitzernd, zugig, Einkaufsketten, Fressketten. Kostenpunkt: eine Milliarde Euro.

Die fehlenden Passagiere und Käufer sollen jetzt, da der Hauptbahnhof die zentrale Verkehrsdrehscheibe Österreichs ist, endlich auch kommen. Mehr als 1000 Züge und 120 000 Reisende werden von Montag an täglich am Südtiroler Platz erwartet; die ÖBB werben damit, dass jedes Fernreiseziel von hier aus mit maximal einmal Umsteigen zu erreichen sei und sich die Fahrzeiten von vielen Destinationen in die Hauptstadt verkürzen werden.

Für Touristen aus Deutschland dürfte vor allem eines wichtig sein: Die Ankunft am Westbahnhof am Neubaugürtel, wo traditionell alle Züge aus dem Westen bisher anlandeten, ist Geschichte. Wer heute von München oder Passau kommend nach Wien und noch weiter fährt, der wird am Hauptbahnhof oder, kurz davor, in Wien Meidling ausstiegen. Der Westbahnhof, der auch erst 2010 nach längerer Umbauzeit wiedereröffnet worden war, soll vor allem Pendler und die Passagiere der privaten Westbahn bedienen.

Wien war als Zentrum der Habsburger Monarchie immer auch das logistische Zentrum des Vielvölkerstaates gewesen, der - Insignium der Macht und der Moderne - natürlich mehrere Bahnhöfe in der Metropole betreiben ließ. Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, Süd- und Ostbahn vor der großen Industrialisierung, Westbahn, Nordwestbahn, Franz-Josefs-, Aspangbahn und Verbindungsbahn Mitte des 19. Jahrhunderts: Das Gleisnetz führte in die Welt, es führte die Arbeiter um die Jahrtausendwende aus dem armen Osten in die Hauptstadt und die Sommerfrischler aus Wien in den Süden.

Das war einmal. Der neue Hauptbahnhof soll als eine Art Zentralbahnhof fungieren, was vielen nützt, aber natürlich auch einigen schadet. Fahrzeiten für einige Pendlerstrecken werden länger, und der Ruf des Westbahnhofs, einst zum "schönsten Bahnhof" Österreichs gekürt, wird verblassen.

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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