Neue "Alarmanlage":Tinnitus für Taugenichtse

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Ob bedrohliche Randalierer oder harmlose Schüler - britische Ladenbesitzer wollen Jugendliche einfach von der Straße wegpiepsen: Mit Hilfe eines Pfeiftons, der nur für Jugendliche zu hören ist.

Marten Rolff

Robert Gough hatte seinen Kampf gegen die Jugendlichen eigentlich schon aufgegeben. Bis zu 30 von ihnen gleichzeitig hätten vor seinem Supermarkt herumgelungert, Kunden belästigt und sogar Waren gestohlen, behauptet er.

Lange Zeit wusste der Filialleiter aus dem walisischen Barry sich nicht zu helfen, nun hat Gough sein Problem selbst gelöst: Ob bedrohliche Randalierer oder harmlose Schüler - er piepst alle Jugendlichen einfach von der Straße, mit Hilfe einer kleinen, schwarzen Lautsprecherbox, die über der Ladentür angebracht wird. Sie erzeugt einen Ton von so hoher Frequenz, dass er angeblich nur von Menschen unter 25 Jahren wahrgenommen wird. Das Geräusch ist so unangenehm, dass die Teenager ihn angefleht hätten, es abzuschalten, erzählt Gough. Eine Bitte, der er nicht nachkam.

Dass der Filialleiter seine Ruhe hat, verdankt er Howard Stapleton. Der Chef einer Sicherheitsfirma im walisischen Merthyr Tydfil hat die Box erfunden, die wegen ihres flirrenden 16-Kilohertz-Tons "Mosquito" heißt und bald ihren Siegeszug durch britische Straßen antreten könnte.

Seit Jahren diskutiert man in Großbritannien darüber, wie gegen Jugendgangs und andere Störer der öffentlichen Ordnung vorzugehen sei. Dabei hat die Polizei inzwischen weit reichende Kompetenzen: Seit dem Anti-social Behaviour Act von 2003 darf sie Platzverweise aussprechen und sogar ganze Innenstädte zu Tabuzonen erklären.

Gemessen am riesigen Interesse für Stapletons Erfindung ist das vielen Briten aber nicht genug. Sie wollen sich offenbar nicht nur auf Gesetze und Ordnungskräfte verlassen und rüsten nun selber auf: So testen nicht nur Sicherheitsberater großer Supermarktketten derzeit Stapletons Lärmmaschine, auch Bezirksverwaltungen, Betreiber von Privatbahnen und Fast-Food-Restaurants, ja sogar Polizeireviere hätten Probegeräte geordert, sagt der Ingenieur.

Seine Erfindung war bereits Thema in mehreren britischen Fernsehsendungen, und Stapletons zweifelhafter Erfolg dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass er beim Marketing auf wenig subtile Töne setzt.

"Haben Sie genug von pöbelnden Teenagern, die vor oder in Ihrem Geschäft herumlungern? - Ja, mir reicht es!" heißt es etwa im Intro von Stapletons Internetseite. Dass es "ihm reicht" hatte der Erfinder erstmals vom Chef seines örtlichen Supermarktes gehört - und beim Nachdenken über dessen Klagen eine Stärke der jungen Leute als Schwäche ausgemacht: ihr feineres Gehör.

"Grausames Geschrammel"

So entstand die Idee für ein enervierendes Gerät, das der 39-jährige Ingenieur zuerst an den eigenen Kindern testete und dessen Ton Jugendliche in der britischen Presse als absolut grausames "Geschrammel einer sehr, sehr hohen Violine" beschrieben.

"Das Gerät wird wohl bald auf jeder High Street zu finden sein", prophezeit Carl Gibbard. Als Chef der Firma Concept Smoke Screen im englischen Lincolnshire entwickelt er Sicherheitssysteme für britische Einzelhandelsketten, darunter auch Tesco.

Gibbards ganzer Stolz ist derzeit eine Kombination aus Rauchbombe und Sirene, mit der die Zahl der Einbrüche bei seinen Kunden "fast auf null" gesunken sei. Gegen "lästige Teenager" vor den Läden - "ein Problem, das wir in allen britischen Städten haben" - gebe es indes noch kein Rezept, sagt Gibbard, der sich mit Differenzierungen nicht lange aufhält.

"Mosquito besetzt eine Marktlücke", glaubt er. "Wir suchen schon lange nach etwas, das die Jugendlichen verjagt, ohne Schaden anzurichten."

Der Sicherheitsfachmann hat den umgerechnet etwa 700 Euro teuren Apparat bereits seinen vielen Kunden empfohlen. Diese würden den Einsatz des Pfeiftons aber erst juristisch prüfen, sagt Gibbard. Vorsichtig ist man auch beim Three Rivers District Council nahe London.

Vier Mosquitos habe man bestellt, nachdem Ladenbesitzer über Probleme mit aggressiven Kunden berichtet hätten, sagt Linda Scott von der Bezirksverwaltung. Zunächst wolle man die Geräte aber in Zusammenarbeit mit der Polizei testen.

Für Ärger dürfte der Pfeifton, der mit seiner Reichweite von etwa 25 Metern gleich eine ganze Altersgruppe in Sippenhaft nehmen soll, in jedem Fall sorgen. Die Wahrnehmung eines Geräusches sei nicht nur eine Frage des Alters, sondern vor allem eine der individuellen Hörfähigkeit, stellte Roger Lewin von der British Society of Hearing Aid Audiologists schon im BBC-Interview richtig. Außerdem könne der Pfeifton möglicherweise Babys oder Supermarkt-Angestellte beeinträchtigen.

Auf Kritik an seiner Erfindung hat sich Howard Stapleton jedoch längst eingestellt. Dass man versuchen könnte, ihn wegen Diskriminierung zu verklagen, halte er für sehr unwahrscheinlich, sagt der Ingenieur. Und normale Kunden unter 25 Jahren tangiere der Pfeifton ohnehin nicht, da man sich mindestens eine Minute am Eingang eines Ladens aufhalten müsse, um das Geräusch zu registrieren.

Auf die nächste Straßenecke verlagert

Hörschäden werde durch das Gerät niemand erleiden. Gutachter des National Physical Institut in London haben Stapleton bescheinigt, dass seine Erfindung gesundheitlich völlig unbedenklich sei. "Auch Hunde fühlen sich durch den Apparat offenbar in keiner Weise beeinträchtigt", behauptet Stapleton.

"Das Ergebnis war so eindeutig, dass wir jetzt sogar eine lautere Version entwickeln."

Dabei bestreitet der Ingenieur gar nicht, dass Mosquito das Problem mit den Jugendlichen nur auf radikale Weise an die nächste Straßenecke verlagert.

Kopfzerbrechen bereite ihm das aber wenig, betont der Erfinder - und zitiert einen befreundeten Ladenbesitzer, der ihm sagte: "Mir ist eigentlich egal, wo die Typen abhängen. Die Hauptsache ist, sie tun es nicht vor meinem Geschäft."

© SZ vom 2.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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