Nachruf:Grande Dame

Lotte Tobisch in der Wohnung, in der sie sechs Jahrzehnte gleich neben der Wiener Staatsoper lebte. Männer, die ihr zu aufdringlich wurden, habe sie auch mal „öffentlich geohrfeigt“, erzählte die frühere Burgtheater-Schauspielerin im Jahr 2018 der Süddeutschen Zeitung. „Unabhängig von Amt und Person“. (Foto: picture alliance / Gerhard Deuts)

Lotte Tobisch war in Österreich weit mehr als Schauspielerin und Society Lady: Sie war eine "Ausnahmepersönlichkeit". Nun ist sie mit 93 Jahren in Baden bei Wien gestorben.

Von Martin Zips

Sie war eine österreichische Institution, die Schauspielerin und Lebenskünstlerin Lotte Tobisch. Der Wiener Opernball, den sie von 1981 bis 1996 organisierte, wurde durch sie zu einem (von vielen bis heute zu Recht gefürchteten) Event. Tobisch nannte die Veranstaltung treffend in einem SZ-Interview 2018 ein "Geschäftstreffen", an dem Künstler, Adelige, Umweltschützer und Diktatoren "unter einem Dach tanzen". Doch die 1926 geborene Tobisch war mehr als eine Society-Lady. Gerade im Alter pflegte sie den unverblümten Ausdruck und bezeichnete sich keineswegs zu Unrecht als emanzipierte Frau einer Zeit, in der "die heutigen Emanzen noch nicht einmal konzipiert waren". Bereits mit 18 brach sie aus ihrer Familie aus, weil ihr dort "die Konventionen auf die Nerven gingen". Später zog sie mit dem 37 Jahre älteren Dramaturgen Erhard Buschbeck zusammen. Nach dessen Tod, er starb 1960, blieb sie allein, pflegte aber innige Freundschaften, etwa mit Philosoph Theodor W. Adorno. Aus Anlass ihres Todes am Samstag im Alter von 93 Jahren würdigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Tobischs "dynamisches und offenes Wesen" und ihr "soziales Engagement". Kanzlerin Brigitte Bierlein nannte Tobisch, die bis ins hohe Alter auch Bücher und Kolumnen schrieb, eine "Ausnahmepersönlichkeit".

© SZ vom 21.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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