Mode:Neues Wir-Gefühl

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Ungewöhnliches Bild: Riccardo Tisci und Donatella Versace. (Foto: Instagram)

Der italienische Modedesigner Riccardo Tisci startet eine ungewöhnliche, ja unerhörte Kampagne: Er wirbt mit Donatella Versace - also der Konkurrenz. Das wäre so, als würde Real Madrid mit Lionel Messi werben. Er folgt damit allerdings einem neuen Trend.

Von Silke Wichert, München

Es wirkt wie ein Scherz: Givenchy-Designer Riccardo Tisci postet auf Instagram ein Bild mit sich und Donatella Versace und schreibt, er sei stolz, seine neue, ultimative Ikone für die nächste Herbstkampagne zu präsentieren. Das ist so, als würde Apple mit Bill Gates werben. Oder Real Madrid mit Lionel Messi.

Modemarken haben schon so ziemlich alles und jeden verpflichtet. Neben Schauspielerinnen und Topmodels zuletzt alte Schriftstellerinnen (Joan Didion für Céline), alternde Popsängerinnen (Madonna für Versace), uralte italienische Omas (Dolce & Gabbana). Männer in Frauenkleidung, Transvestiten, Hunde, Katzen, Yetis, auch das gab's schon, das meiste wird geschäftsmäßig zur Kenntnis genommen. Aber - einen anderen Designer? Man wäre gern in dem Meeting dabei gewesen, als der Italiener Tisci den Franzosen vom Luxuskonzern LVMH, zu dem die Marke Givenchy gehört, diese Idee präsentierte.

Jetzt sind die Bilder der Kampagne draußen, und sie zeigen vor allem eines: Die Mode probt ein neues Familiengefühl. Intrigen sind out, Zusammenhalt ist das neue Ding. Was Taylor Swift kann, die stets so viele beste Freunde um sich versammelt, als wollte sie den Preis für das dickste Poesiealbum gewinnen, kann die Mode schon längst. Während sich Yves Saint Laurent und Karl Lagerfeld früher spinnefeind waren und der italienische Modeschöpfer Roberto Cavalli über Louis Vuitton lästerte, posten der Designer Raf Simons und Stella McCartney nun Selfies von einem "Dinner with friends", und bei großen Modeschauen von Dior oder Louis Vuitton sitzt plötzlich die halbe Konkurrenz in der ersten Reihe. Karl Lagerfeld und Comme-des-Garçons-Designerin Rei Kawakubo durften kürzlich schon ein paar Taschen für eine Louis-Vuitton-Sonderedition entwerfen. Fehlt eigentlich nur noch die erste gemeinsame Kollektion zweier Luxusmarken.

Bleibt die Frage, warum sich Riccardo Tisci ausgerechnet Donatella Versace ausgesucht hat, die manche ja weder für eine gute Designerin noch für eine Frau mit gesunder Gesichtsfarbe halten. Die Antwort ist: Das Konforme ist nicht Tiscis Ding. Bei der letzten Givenchy-Kollektion klebte er den Models eine halbe Schmuckschatulle ins Gesicht; statt wie Firmengründer Hubert de Givenchy anmutige Frauen wie Audrey Hepburn einzukleiden, schneidert er das Hochzeitskleid für Kim Kardashian.

Im Übrigen darf man glauben, dass Donatella für Tisci wirklich eine Ikone ist. Die ewige kleine Schwester des großen Gianni Versace wird leicht unterschätzt. Doch in der Branche gilt sie als kluge Geschäftsfrau, der, wenn es um sexy Roben geht, keiner etwas vormacht. Herz hat sie auch: Als Raf Simons bei Jil Sander gefeuert wurde, war sie die erste, die ihm einen Brief schrieb. Unterhaltsamer als die meisten anderen Designer ist sie sowieso. In Interviews erklärt sie schon mal, sie sehe nur so jung aus, weil sie sich nachts in den Gefrierschrank lege. Das Ganze ist also auch eine rührende Ehrenrettung. Wozu hat man schließlich Familie.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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