Mode:Klamotten für große Kaliber

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Ziviler Look - Militärischer Schutz: Miguel Caballero entwirft schusssichere Mode. Und seine Gewinne macht er längst nicht mehr nur in Kolumbien.

Peter Burghardt

Wenn Kolumbiens aufstrebendster Kleiderfabrikant seine Mode vorführen will, dann schießt er gerne auf Besucher. Miguel Caballero knöpft jetzt einem groß gewachsenen Freiwilligen die braune Wildlederjacke über dem weißen Hemd zu und steckt die Patrone in den Trommelrevolver vom Typ Indumil.

Praxistest für Mutige. (Foto: Foto: Peter Burghardt)

Die beiden Herren und ihr Publikum, bestehend aus ein paar Angestellten sowie einem Reporter, setzen im engen Vorführraum der Firmenzentrale von Bogotá die Ohrenschützer auf, Cabellero legt an. Aus wenigen Zentimetern Entfernung zielt er auf den Bauch seiner Testperson, die etwas nervös aussieht. Als Markierung dienen dunkelgrüne Aufkleber mit Caballeros Logo. Der Schütze zählt: eins, zwei, drei. Es knallt und raucht, normalerweise wäre der Mann jetzt tot oder mindestens schwer verletzt. Doch es geht ihm bestens.

Mode für alle gefährlichen Lebenslagen

Bloß einen kleinen Schlag habe er gespürt, berichtet die Versuchsperson und ist davon offenbar selbst erstaunt. Zufrieden pult ihm Caballero das Projektil aus dem zerrissenen Leder, platt gedrückt steckt es in einer biegsamen Unterlage aus Nylon, Aramid und Polyethylen. Derartiger Schutz verbirgt sich auch im Futter grüner Blazer oder schwarzer Sakkos, sie hängen auf Schaufensterpuppen.

Fast alles kann man sich hier auf Bestellung nähen lassen, bei den Oberteilen ist dies ja eine relativ normale Schneiderei. In den Zimmern sitzen Designerinnen vor Computern und Näherinnen vor Maschinen der Marke Pfaff, Maßbänder um den Hals.

Es gibt farbige Kataloge mit gängigen Modellen für Arbeit und Freizeit, nur dass sich darunter eben eine patentierte Panzerung verbirgt, Gütesiegel ISO 9001. Die rettet Leben und hat einen kleinen Mann von 38 Jahren zum wohlhabenden Pionier einer aufstrebenden Branche gemacht.

Armani der Panzerkleidung

Auf die Idee kam der Erfinder vor 15 Jahren, er studierte damals Betriebswirtschaft. Bei der Suche nach einer Geschäftsidee fiel ihm auf, dass kugelsichere Westen schwer, ungemütlich und auffällig waren.

Er lieh sich von seiner Mutter zehn Dollar, so jedenfalls erzählt er das, und fertigte ein Jackett, das vor Munition kleinerer Kaliber schützte. Unterdessen beschäftigt Caballero 115 Angestellte, ist in 18 Staaten tätig und verdoppelt jedes Jahr seinen Umsatz, 2005 waren es sieben Millionen Dollar.

"So ein Produkt wie dieses macht man nur in einem Land wie diesem", sagt er-in Kolumbien herrscht seit 40 Jahren Bürgerkrieg, Tausende werden bedroht, entführt, ermordet. Unter dem autoritären Präsidenten Alvaro Uribe ging die Gewalt zwar zumindest in den Metropolen zurück, doch Bedarf an schusssicherer Kleidung besteht nach wie vor. Außerdem entdeckte Caballero weitere Märkte. "Wenn das in Kolumbien funktioniert", dachte er sich, "dann überall auf der Welt."

Wachstumsmarkt Irak

Fast 80 Prozent seiner Waren gehen für Preise von 300 bis 3000 Dollar mittlerweile ins Ausland, Abnehmer finden sich vor allem in Mexiko, Brasilien, Venezuela, zunehmend auch im Irak. In Guadalajara wurde die Kollektion erstmals auf einem Laufsteg vorgeführt, und im Polanco-Viertel von Mexiko-Stadt eröffnete Caballero eine Boutique.

Die leichtesten Panzerungen wiegen nur noch 1,2 Kilo, sind hitzebeständig, flexibel, waschbar und kühlen bei Hitze dem Vernehmen nach sogar den Körper. Zu den prominentesten Kunden gehören die Staatschefs Uribe, Hugo Chavez aus Venezuela und Lula da Silva aus Brasilien, der erst kürzlich beliefert wurde.

Uribe verlässt sich auf Caballeros weiße Guayaberas, Tropenhemden, die über die Hose hängen, Chavez bevorzugt die rot leuchtende Version, wobei man über ihn nichts weiter erzählen soll, Chavez bittet um Diskretion.

Eine gepanzerte Bibel

Mit dem spanischen Thronfolger Felipe und seiner Gattin Letizia darf geworben werden, sie bekamen zur Hochzeit 2004 gepanzerte Steppjacken, dunkelblau. Der Madrider Starrichter Baltasar Garzon trägt ebenfalls eine Caballero-Kreation, Polizisten und Soldaten werden mit Uniformen aus der so genannten Classic-Linie ausgestattet.

Inzwischen haben sich auch Ölscheichs angekündigt, sie wünschen widerstandsfähige Gewänder, und dann gibt es noch diesen Pfarrer einer umstrittenen Freikirche im Zentrum von Bogotá. Der bestellte eine gepanzerte Bibel und eine gepanzerte Soutane, und Caballero lieferte.

"Armani der Panzerkleidung"

Für Fernsehen und Zeitungen sind solche Geschichten eine Attraktion, in den Beiträgen wird Miguel Caballero als "Armani der Panzerkleidung" gefeiert, die Texte hängen im Treppenhaus wie Urkunden an der Wand. Dass er sich an Angst und Schrecken bereichert, will der Unternehmer nicht gelten lassen. "Ich schaffe die Unsicherheit nicht, ich führe keinen Krieg, ich verkaufe keine Waffen, ich entführe nicht", sagt er. Bei ihm selbst haben es Kidnapper zweimal vergeblich versucht.

"Bei mir geht ein militärisches Produkt in zivile Bereiche über. Es gibt dafür Bedarf in der Welt, das ist eine wachsende Industrie." Sogar die ersten Frauen seien interessiert, wobei es noch keine kugelsicheren Miniröcke oder Büstenhalter gibt.

Die Pistole legt Caballero nun wieder in den Schrank, auch diese feurige Demonstration ist routiniert gelungen, bisher gab es keine Klagen. Der Proband nimmt die zerquetschte Kugel mit auf den Heimweg, was für ein Souvenir. Der deutsche Berichterstatter bekommt schließlich auch noch ein Angebot zum Selbstversuch. "Ich kann auch auf dich schießen", sagt Caballero, aber das muss dann doch nicht sein, trotz ISO 9001.

© SZ vom 31.05.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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