Missbrauchsdrama in Rheinland-Pfalz:"Jugendamt hätte viele Horrorjahre verhindern können"

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Der Stiefsohn des mutmaßlichen Kinderschänders von Fluterschen erhebt schwere Vorwürfe gegen seinen Vater - aber auch gegen das Jugendamt. Das hätte früher einschreiten müssen.

Reglos sitzt Detlef S. im Verhandlungssaal des Koblenzer Landgerichts. Ihm gegenüber steht Staatsanwalt Thorsten Kahl und erhebt schwere Vorwürfe: Der 48 Jahre alte Mann habe in mindestens 350 Fällen seine leibliche Tochter, seine Stieftochter und seinen Stiefsohn missbraucht und zur Prostitution gezwungen.

"Er hat mich in all den Jahren kaputtgemacht", schrieb seine Tochter in einem Brief über ihren Vater, den Angeklagten Detlef S. (Foto: REUTERS)

Mit seiner heute 28-jährigen Stieftochter hat er acht Kinder gezeugt. Das gesteht er am Dienstag beim Auftakt des Prozesses. Der Verteidiger verliest eine knappe Erklärung, in der Detlef S. zugleich alle Missbrauchsvorwürfe bestreitet.

Dabei hoffen die drei mutmaßlichen Opfer, die als Nebenkläger auftreten, so sehr auf ein Geständnis. "Ich will, dass er gerecht bestraft wird", sagt der 28-jährige Björn B. vor dem Gerichtsgebäude, das von Kamerateams umlagert wird.

Detlef S. habe ihm mit seinen Übergriffen die ganze Jugend verdorben, fügt er hinzu. Ständige Prügel seien in der Familie an der Tagesordnung gewesen. Hätte das Jugendamt früher eingegriffen, wären ihm "viele Horrorjahre" erspart geblieben, sagt Björn B.

Ersparen will auch Anwältin Katharina Hellwig ihrer Mandantin Natascha S. einen schweren Gang: Gleich zu Beginn des Prozesses ist die heute 28-Jährige als Zeugin geladen.

Laut Anklage wurde sie regelmäßig von Detlef S. sexuell missbraucht und gegen Bargeld für Geschlechtsverkehr an zwei Männer verkauft. Die Rechtsanwältin hoffte bis zuletzt, dass der Angeklagte doch noch seine Taten gestehen würde. So hätte eine nervlich aufreibende Zeugenaussage von Natascha S. vermieden werden können.

Doch das geschieht an diesem Dienstag nicht. Die Stieftochter muss sich äußern, muss dem Gericht Details schildern. Dafür werden Zuhörer und Journalisten hinausgeschickt - eine Zeugenvernehmung in nicht öffentlicher Sitzung wird beantragt.

Intime Details sind ohnedies schon an die Öffentlichkeit gekommen: Richter Winfried Hedge verliest einen handgeschriebenen Brief. Das Schriftstück, das im vergangenen Jahr an das Jugendamt weitergeleitet wurde, ist der Grund für das Bekanntwerden der Anschuldigungen. Die leibliche Tochter von Detlef S., Jasmine S, wirft ihrem Vater darin vor, sich regelmäßig an ihr vergangen zu haben.

"Ständige Prügel waren in der Familie an der Tagesordnung", sagte Björn B., der Stiefsohn des Angeklagten. (Foto: dapd)

"Er hat seine Tochter entehrt", liest Richter Hedge die Worte von Jasmine S. vor. Er habe sie in "all den Jahren kaputtgemacht", schrieb sie in dem Brief. Ihr Vater sei in all den Jahren nie ein "Papa" gewesen. "Du hast mir das Leben zur Hölle gemacht."

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 48-Jährigen unter anderem vor, seine Tochter und Stieftochter in 35 Fällen zur Prostitution gezwungen zu haben. Der Anklage zufolge begannen die Übergriffe auf die damals vier und fünf Jahre alten Stiefkinder im Jahr 1987.

Der Missbrauch der leiblichen Tochter soll am Tag ihres zwölften Geburtstags begonnen haben. Nachdem die Kinder die Geburtstagsfeier verlassen hatten, zwang er das Mädchen, sich aufs Bett zu legen, heißt es in der Anklage. Als das Kind sich wehrte, soll er zu ihm gesagt haben, er dürfe das als Vater, sagt Staatsanwalt Kahl in seiner Anklage und will die Vorwürfe in den vier weiteren angesetzten Prozesstagen belegen.

Detlef S. verzieht weiterhin keine Miene: Natascha S., Jasmine S. und Björn B. hingegen steht der Druck ins Gesicht geschrieben. Als Björn B. erfährt, dass sein Stiefvater nicht aussagen wird, verlässt er kopfschüttelnd den Gerichtssaal. "Dass er mir das auch noch antun muss", sagt er den wartenden Journalisten.

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